Implementierung einer Preisstrategie – Die Umsetzungslücke (Teil 5/5)

Denken, Kommunizieren und Handeln in unterschiedlichen Ländern

Das Ausrollen von Ideen und Strategien in andere Länder ohne Rücksicht auf den jeweiligen Wertekontext, in dem sie entstanden sind und in den sie transportiert werden sollen, birgt ebenfalls erhebliche Risiken. So warten in den Ländern unterschiedliche Sprachen, Kulturen und Werte auf die Verantwortlichen aus der Zentrale. Die erste gemeinsame Werbekampagne von DaimlerChrysler anlässlich der Fusion im Jahr 1998 drückte das wie folgt aus: „Was geschieht, wenn sich 428.000 außergewöhnliche Menschen begegnen?“ Das mangelnde Verständnis für die Kultur der Gegenseite wurde später als eine wesentliche Ursache für das Scheitern der Fusion zwischen den beiden Autobauern ausgemacht: „Misstrauen und schlechte Kommunikation beherrschen den Alltag zwischen den ‚steifen Deutschen‘ und den ‚schlagfertigeren Amerikanern!“ Viele Top-Manager in ihren Zentralen glauben dennoch, dass der Prozess der Umsetzung aus dem Heimatland einfach auf andere Länder übertragen werden kann: „Was hier funktioniert, hat woanders auch zu funktionieren.“ Das kann sich jedoch leicht als gefährlicher Irrglaube herausstellen. Schon 1850 erkannte der französische Schriftsteller Paul Lacroix, dass es gar nicht so einfach ist, sich etwa auf europäischer Ebene zu einigen:

„Die Einigung Europas gleicht dem Versuch, ein Omelett
zu backen, ohne Eier zu zerschlagen.“

Paul Lacroix, französischer Autor und Journalist, 1806 – 1884

Die unterschiedlich gestalteten Cockpits bei Airbus (Europäer, überwiegend Franzosen und Deutsche) und Boeing(USA) verdeutlichen ebenfalls in beeindruckender Art und Weise regional unterschiedlich ausgeprägtes Denken und Handeln einzelner Nationen. Flugzeuge vom Typ Airbus werden so konstruiert, dass der Pilot nur wenige Möglichkeiten für eigene Korrekturen erhält. Damit soll jede Form der Unsicherheit vermieden werden. Das entspricht der eher europäisch geprägten Kultur der Risikoprävention. Boeing hingegen billigt dem Piloten mehr Freiräume zu und unterstellt, dass er als Kommandeur des Flugzeuges Handlungskompetenz und Gestaltungsspielräume für sich beansprucht (Sherman et al. 1997). In den USA besteht – verglichen mit europäischen Kulturen – eine wesentlich geringere Furcht vor Unsicherheiten. Das bedeutet, die kulturellen Unterschiede erlauben selbst beim Luftverkehr, der sicherlich als Hochrisikozone einzustufen ist, unterschiedliche Herangehensweisen.

Die Liste der Beispiele ließe sich leicht fortführen, in unserem Kontext ist es aber wichtiger, Antworten auf die folgenden Fragen zu erhalten:

„Woraus resultieren die Unterschiede im Denken, Kommunizieren und Handeln der Menschen und warum nehmen Menschen differenziert wahr?“ Experten beschäftigen sich schon seit Längerem mit diesen interkulturellen Fragen. Einen besonderen Stellenwert genießt Geert Hofstede (Hofstede 2011). Er hat mithilfe von fünf Faktoren veranschaulicht, wie nationale und regionale Kulturen das Verhalten von Unternehmen, insbesondere deren Organisation und Führung, beeinflussen: 

  1. Individualismus (individuelle Anreize) und Kollektivismus (Gruppenanreize)
  2. Feminität (Konfliktlösung durch Gleichheitsprinzip, Orientierung an Gemeinsamkeiten und Lebensqualität) und Maskulinität (Konfliktlösung durch fairen Kampf und Wettbewerbsorientierung)
  3. Unsicherheitsvermeidung (Bedürfnis nach oder Abneigung gegen Formalismus)
  4. Machtdistanz (tatsächlicher oder empfundener Unterschied zwischen hierarchischen Stufen)
  5. Langzeit- oder Kurzzeitorientierung

Mithilfe solcher Kriterien können Länder, Regionen und Unternehmen, aber auch einzelne Personen eingeordnet und zielgerichtet vorbereitet werden. Dabei werden vier der fünf Faktoren von Hofstede miteinander kombiniert und verschiedenen EU-Staaten sowie Japan und den USA zugeordnet.

Abb.: Unterschiede in Managementkulturen  Quelle: Perlitz (2004)

Kommunikation ist erfolgsentscheidend und der Transmitter, um richtig verstanden zu werden und zu motivieren. Mitarbeiter im Vertrieb sollen verstehen, warum und wie sie ihren Kunden neue Preise oder Konditionen verkaufen sollen.

Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Kulturen verschärfen sich auch noch einmal die in den letzten Blogs beschriebenen Herausforderungen. Wir erinnern: Kommunikation ist erfolgsentscheidend und der Transmitter, um richtig verstanden zu werden und zu motivieren. Mitarbeiter im Vertrieb sollen verstehen, warum und wie sie ihren Kunden neue Preise oder Konditionen verkaufen sollen. Auf internationalem Parkett erhöht sich der ohnehin schon vorhandene Schwierigkeitsgrad nochmals aus zwei Gründen. Erstens muss die Zentrale die jeweilige Preisinitiative an die Länderchefs herantragen, die dann ihrerseits die Kernbotschaften (Steckbrief) an ihre Mitarbeiter kommunizieren, die sie letztlich an ihre Kunden weitergeben. Möglicherweise sind darüber hinaus noch Ländergruppenchefs zwischengeschaltet, und so erinnert die Szenerie an das bekannte Kinderspiel „Stille Post“, in dem Botschaften flüsternd weitergeben werden, um schließlich sinnverfälscht beim letzten Zuhörer anzukommen. Zweitens treffen Menschen unterschiedlicher Kulturen und Sprachen aufeinander. Missverständnisse sind hierdurch programmiert. LaRay M. Barna (Barna 1985) fasst sechs Stolpersteine der interkulturellen Kommunikation zusammen:

  1. angenommene Gemeinsamkeiten: Man ist schnell versucht, die Reaktionen, die Eigenarten und die Mimik des Kollegen aus einem anderen Land mit den eigenen Maßstäben zu messen und meint, bekanntes Verhalten zu entdecken. Das ist jedoch oft eine Fehleinschätzung.
  2. Sprachunterschiede: Sie entstehen aus der Unkenntnis der Feinheiten einer jeden Sprache. Interne Metaphern und Umgangssprache werden in unterschiedlichen Kulturen verschieden angewandt. Der in das Englische übersetzte „deutsche Satz“ entspricht dem deutschen Gedanken und kann beispielsweise zu hart, zu direkt für andere Kulturen rüberkommen.
  3. Nonverbale Missinterpretation: Abweichende Aussagen scheinbar vertrauter Gesten werden so lange abstrahiert, bis sie in die eigene, kulturelle Wahrnehmung passen.
  4. Vorurteile und Stereotypen: Das andere wird mithilfe von Vorurteilen bzw. vorgefertigten Meinungen und Stereotypen kategorisiert, damit die eigene Orientierung nicht verloren geht und man sich gut zurechtfindet.
  5. Tendenz zu bewerten: Das Verhalten der anderen wird mit bekannten und erlernten Maßstäben gemessen. Aufgrund der Neigung, seine eigenen Werte als richtig anzunehmen, kommt es zu Missverständnissen.
  6. Hohe Unsicherheit/Ängstlichkeit: Dieser Stolperstein beschreibt die Hilflosigkeit innerhalb einer fremden Kultur und die Einschränkung, sich in Ausdrucksweisen der Fremden nicht wiederzufinden, und die Unsicherheit, die entsteht, wenn man sich nicht ausreichend verständigen kann.

Die sechs Stolpersteine von Barna lassen beispielsweise die gängige Praxis von internationalen Meetings und Zusammenkünften aller Regionen in einem anderem Licht erscheinen. Die Präsentation wird in der Weltsprache Englisch abgehalten, die Mimik, die Ironie oder auch der Sarkasmus sind aber exklusiv dem Kulturkreis des Präsentierenden zugeordnet, hierdurch entsteht ungewollter und kontraproduktiver Raum für Missverständnisse.

Konsequenz für die Umsetzung:

Interkulturelle Kompetenz hat sich im Zeitalter der Globalisierung zu einem strategischen Wettbewerbsvorteil entwickelt (Perlitz 2004a). Unterschiede im Denken, Fühlen und Handeln der lokalen Vertriebseinheiten zu begreifen, zu berücksichtigen und entsprechend zu kommunizieren, ist eine fundamentale Voraussetzung, um die Menschen in den betroffenen Ländern adäquat abzuholen. Nur so werden letztlich Strategien akzeptiert und anschließend erfolgreich umgesetzt. Zentrale Konzepte erfordern zwingend genügend Raum, um lokal etwa Anreizsysteme, Führungsverhalten, Planungs-/Reporting-Systeme oder Trainings anzupassen. Zukunftsforscher Matthias Horx fasst dies mit dem Begriff „Glokalisierung“ zusammen und beschreibt einen Zustand, bei dem globale neben lokalen Gesetzmäßigkeiten existieren (Horx 2012). Das setzt eine offene und lernbereite Haltung aller Akteure voraus und verlangt in vielen Fällen, die Zeitplanung seriös auf diese Herausforderungen auszurichten. Weitere Erfolgsgaranten für interkulturelle Projekte sind neben der Sprache:

  1. Kenntnisse und Erfahrungen anderer Kulturen, Nationen und Personen, Verhaltensweisen,
  2. Neugierde, Offenheit und Interesse, sich auf andere Kulturen, Personen und Nationen einzulassen,
  3. die Fähigkeit, sich in das Gegenüber hineinzuversetzen, und das Erkennen und richtige Deuten der Gefühle und Bedürfnisse des anderen,
  4. Kenntnis der eigenen Stärken, Schwächen und Bedürfnisse, emotionale Stabilität und
  5. kritischer Umgang mit und Reflexion von eigenen Vorurteilen/Stereotypen gegenüber anderen Kulturen, Personen, Nationen und Verhaltensweisen.