Wer im Vertrieb arbeitet, egal ob als Außendienstmitarbeiter, im Key Account Management oder im technischen Kundendienst, wird früher oder später mit Vertriebscoaching (auch Verkaufscoaching genannt) in Berührung kommen. Zumindest sollte es so sein, wenn Vertriebsleiter (hier: Firstline Manager) ihrer Rolle als Führungskraft gerecht werden und das Coaching der eigenen Verkäufer strukturiert und kontinuierlich umsetzen.
Für eine erfolgreiche Umsetzung des Coachings und Begleitung der Vertriebsmitarbeiter müssen einige Rahmenbedingungen erfüllt und Kriterien berücksichtigt werden. Welche das sind, darauf gehe ich im folgenden Beitrag ein.
Um Fallstricke gezielt zu vermeiden, wird der gesamte Coaching-Prozess in drei Phasen 1) Vorbereitung, 2) Durchführung Kundengespräch und 3) Nachbereitung eingeteilt.
Anhand beispielhafter Coaching-Fehler werden sowohl die negativen Auswirkungen auf das Coaching, als auch mögliche Hilfestellungen erläutert.
Vorbereitung
Häufig werden Vertriebsmitarbeiter erst unmittelbar vorher über die Coaching-Maßnahme informiert oder nur über die Ziele des Coachings in Kenntnis gesetzt. Schnell entwickelt jeder Mitarbeiter seine eigenen Gedanken und Rückschlüsse wie: „Notwendiges Laster“, „Die beobachten mich und wollen mich loswerden“ oder „Was passiert mit den Ergebnissen?“
Die Vertriebsmitarbeiter sind verunsichert, Gerüchte machen die Runde und die Maßnahme wird möglicherweise sogar komplett abgelehnt.
Tipp: Gehen Sie bereits im Vorfeld offen mit dem Thema Coaching, seinen Zielen und weiteren Vorgehensweisen um. Nutzen Sie dafür z.B. Regional- oder Vertriebstagungen mit Ihren Mitarbeitern.
Ein weiterer kritischer Erfolgsfaktor ist die eigentliche Vorbereitung des Coachings. Nicht der Coachee allein ist für die Vorbereitung und die Planung möglicher Bestandteile des Kundengesprächs verantwortlich, sondern ebenfalls auch die Führungskraft. Unstrukturierte Ansagen der Führungskraft („So, sagen Sie mal was zu dem Kunden!“) führen zu fehlender Vorbildfunktion und Wertschätzung gegenüber dem Mitarbeiter. Wichtige Themen in der Vorbereitung und im späteren Feedback werden vergessen, z.B. an welchen Themen der Coachee im Gespräch arbeiten will.
Tipp: Erarbeiten Sie eine Leitlinie zur Vorbereitung Ihrer Coachingtermine.
Das Gleiche gilt auch für die Auswahl der Kunden. Vertriebsmitarbeiter neigen dazu, für das Coaching Kunden auszuwählen, zu denen sie bereits ein sehr gutes Verhältnis pflegen („Schau mal Chef, was bin ich ein guter Verkäufer!“) oder die keinerlei Erfolgsaussichten bieten („Hier können wir nichts machen, hab ich ja schon oft gesagt.“)
Tipp: Definieren Sie vorab genau, welche Kunden bei einer Coaching-Aktivität besucht werden sollen. Es sollten herausfordernde und realistische Situationen sein.
Insbesondere vor der Durchführung einer Coaching-Maßnahme tauschen sich Kollegen untereinander aus. Hierbei werden oft die Vertriebler, die das Coaching bereits durchgeführt haben und ihre Art und Weise der Vorbereitung des Kundengesprächs von den Kollegen beäugt und kopiert. Eine erfolgreiche Vorbereitung muss aber kunden- und situationsspezifisch erfolgen und kann somit nicht kopiert werden.
Tipp: Achten Sie auf eine Kunden-/fallspezifische Vorbereitung unter Berücksichtigung der Beziehungsintensität zum Kunden, Kontakthistorie, Lösungsangebot, Fortschritt im Kaufentscheidungsprozess, etc.
Vertriebsmitarbeiter verstehen Coaching als zwischenzeitliche Kontrolle in Sondersituationen, die nichts mit seinem Tagesgeschäft zu tun haben („So, jetzt kann ich nach dem Coaching wieder an mein Tagwerk.“) Diese Haltung führt dazu, dass Coaching nicht als Unterstützung für die tägliche Arbeit wahrgenommen wird.
Tipp: Stellen Sie – wie bereits oben erwähnt – in einem persönlichen Vorabgespräch die Ziele und Vorgehensweisen von Coaching als gemeinsame Arbeit am Kunden dar.
Führungskräfte im Vertrieb haben einen vollgepackten Terminkalender. Da kollidieren schon mal Coaching-Termine und interne oder externe Meetings. Sagt der Coach vereinbarte Termine ab oder ist schlecht vorbereitet, führt das beim Coachee schnell zur Frustration und ggf. Erklärungsnot beim Kunden.
Tipp: Gehen Sie sehr sensibel mit den vereinbarten Terminen um. Die Entwicklung Ihrer Mitarbeiter ist Kernaufgabe einer Führungskraft.
Im Kundengespräch
Immer wieder höre ich von Vertriebsmitarbeitern, dass Coaching-Situationen von Kunden dazu genutzt werden, sich ausgiebig mit der Führungskraft, quasi dem Chef auszutauschen. Dadurch lassen sich manche Mitarbeiter zu stark beeinflussen und trauen sich nicht, die Gesprächsführung wieder an sich zu nehmen. Das Gespräch läuft dadurch Gefahr, am Coaching vorbeizulaufen und zu einem Strategiegespräch zwischen Chef und Kunde zu werden.
Tipp: Beantworten Sie nur solche Fragen, die ausschließlich Sie als Führungskraft beantworten können. Geben Sie die Gesprächsführung direkt wieder an Ihren Mitarbeiter ab.
Im Coaching können Gespräche anders verlaufen, als gedacht bzw. geplant. Beispielsweise wird strikt an einer Präsentation festgehalten, obwohl diese im Kundengespräch kontraproduktiv ist. Der Coachee fühlt sich durch seine Vorbereitung in ein „Korsett“ gedrängt und versucht nun krampfhaft, seine Agenda abzuarbeiten. Das kann im Feedback zu Schuldzuweisungen führen und das Coaching wird als praxisfremd wahrgenommen.
Tipp: Weisen Sie den Verkäufer darauf hin, dass er im Gespräch flexibel bleiben muss und nicht um jeden Preis seine Vorbereitung umsetzen soll.
Nicht selten neigen Führungskräfte dazu, in laufende Kundengespräche einzugreifen, wenn diese aus ihrer Sicht „aus dem Ruder“ laufen. Dieses Eingreifen ist fatal, da der Mitarbeiter sein wichtiges Ansehen bei seinem Kunden verliert und die Kundenbeziehung möglicherweise dauerhaft beeinträchtigt ist. Darüber hinaus kann auch der Coach seinem Mitarbeiter kein Feedback mehr geben, da er selbst das Gespräch geführt hat.
Tipp: Greifen Sie nicht ein, auch wenn das Gespräch nicht gut verläuft. Der Verkäufer hätte diesen Termin ohne Coaching auch wahrgenommen.
In den meisten Fällen sind die Führungskräfte ehemalige, sehr erfolgreiche Vertriebler. So verwundert es nicht, dass sie auch als Coach im Kundengespräch überwiegend Informationen über den Kunden mitschreiben, sich aber keine Notizen über den Coachee und sein Gespräch (Bedarfserhebung, Einwandbehandlung, Gesprächsführung, etc.) macht. Das anschließende Feedback-Gespräch geschieht aus dem Bauch heraus. Fakten, Wahrnehmungen und Gefühle geraten durcheinander und ein Großteil des Feedbacks wird darauf verwendet zu ergründen, was wirklich stattgefunden hat.
Tipp: Machen Sie ausschließlich Notizen von Ihrem Mitarbeiter, um den Gesprächsverlauf detailliert nachvollziehen zu können und um Ihr Feedback anhand konkreter Beispiele belegen zu können.
Nachbereitung
Oftmals werden die Feedbackgespräche unmittelbar nach dem Termin geführt, ohne dass sich beide Seiten ausreichend vorbereiten bzw. ein wenig Abstand zum Kundengespräch nehmen konnten. Insbesondere der Mitarbeiter steht noch unter dem Stress der Situation. Die Folge kann oberflächliches Feedback von beiden Seiten zur Kundensituation sein. Der Mitarbeiter hat keine Chance sich selbst zu reflektieren. Im Gegensatz zum Coach, dieser hatte bereits während des Kundengesprächs Zeit, sich inhaltlich vorzubereiten.
Tipp: Planen Sie sowohl für sich, aber besonders für Ihren Mitarbeiter 5 bis 10 Minuten Vorbereitungszeit vor dem Feedback ein. Aber bitte nicht die Zeit vom Meetingraum zum Auto mit einbeziehen.
Der Verkäufer neigt dazu, sich selbst positives Feedback zu geben. Für Dinge, die seiner Ansicht nach schlecht gelaufen sind, hat er eine Entschuldigung. Negative Punkte, die der Chef anspricht werden als persönlicher Angriff gewertet. Dadurch gerät der Verkäufer im Feedbackgespräch in die Defensive, verteidigt sich anstatt zu reflektieren. Mögliche Optimierungspotenziale werden nicht gemeinsam erarbeitet.
Tipp: Fordern Sie den Verkäufer auf, sein eigenes Verhalten im Kundengespräch zu reflektieren. Lassen Sie ihm die nötige Zeit dafür. Hinterfragen Sie Situationen mit: „Wie hätten Sie noch reagieren können?“
Wenn, wie bereits weiter ob erwähnt, nur die Kundensituation besprochen wird und die Analyse des Verkäuferverhaltens gegenüber dem Kunden nicht stattfindet, wird die Zielsetzung der Mitarbeiterentwicklung ebenfalls verfehlt. Die Kundensituation ist natürlich wichtig, wenn sie im Zusammenhang mit der Interaktion zwischen Verkäufer und Einkäufer steht („Warum hat der Kunde uns Informationen gegeben, welche Fragen haben wir gestellt, welche vergessen, wie auf Einwände reagiert?“).
Tipp: Kommen Sie immer wieder auf das Verhalten des Verkäufers zurück. Es geht nicht um die Kundenanalyse, sondern um die gezielte Entwicklung des Verkäufers.
Insbesondere dominanten Führungspersonen fällt es schwer, das Feedback des Mitarbeiters zu „ertragen“. Er will schnell zu den eigenen Punkten kommen und aufzeigen, was der Verkäufer besser zu machen hat. Dadurch wird die gemeinsame Ebene des Coachings verlassen und der Chef wird zum „Anweiser“. Es werden keine gemeinsamen Ideen entwickelt, nicht reflektiert und das Commitment des Mitarbeiters fehlt.
Tipp: Erstellen Sie einen eigenen Coaching-Fahrplan zur Selbstkontrolle. Kamen die Optimierungsideen wirklich vom Verkäufer oder von Ihnen selbst? Hinterfragen Sie Ihr eigenes Coaching kritisch. Fordern Sie auch Feedback Ihres Mitarbeiters ein.
Ein weiterer entscheidender Punkt, der über die Qualität des Coachings entscheidet, ist die Ausgewogenheit zwischen positiven und negativen Kritikpunkten. Sowohl positive als auch negative Kritik muss konkret formuliert werden. Warum war etwas weniger gut oder besonders gut? Der Mitarbeiter lehnt innerlich schnell das Feedback ab, wenn es überwiegend aus negativer Kritik besteht und nicht konkret formuliert ist.
Tipp: Geben Sie positives und negatives Feedback zu 3 bis 5 Themen und beziehen Sie sich dabei auf konkrete Situationen des Gesprächs. Arbeiten Sie gemeinsam heraus, worauf der Verkäufer in Zukunft achten soll.
Abschließend sollte verbindlich vereinbart werden, welche Aktivitäten sich aus dem Feedback-Gespräch für den Verkäufer ergeben. „Ich muss bessere Fragen stellen“ ist weder verbindlich noch konkret und reicht nicht als Plan. Die Nachhaltigkeit geht verloren.
Tipp: Vereinbaren Sie stets einen schriftlichen Aktivitätsplan mit dem Verkäufer, z.B. zur Erstellung eines Fragenkatalogs und Vereinbarung konkreter Feedbacktermine, in wieweit die Aktivitäten umgesetzt wurden.
Kommen Sie gerne auf mich zu, wenn Sie hierzu Rückfragen oder Anmerkungen haben. Gerne auch für ein honorarfreies Erstgespräch zu dem Thema Vertriebscoaching und Vertriebstrainings. Im Rahmen meiner Tätigkeit als Trainer und Berater konnte ich im Laufe der letzten Jahre mehr als einhundert Coach-the-Coach (CtC) Projekte begleiten und sowohl Rolle als auch Verhaltensweisen des Coachees und Coaches beobachten.
Hartwig Willenborg, Senior Consultant Mercuri International