Umsetzung Sales Excellence Development – Praxisbeispiel BEGO

Wachstumsfelder mit einer separaten Außendienstorganisation erobern und integrieren

Die BEGO Medical GmbH, Bremen, ist ein familiengeführtes mittelständisches Unternehmen, das sich seit über 125 Jahren der Zahngesundheit der Menschen verschrieben hat. Zu diesem Zweck werden sowohl Dentalimplantate als auch prothetische Komponenten und Prozesse entwickelt und weltweit vertrieben. Zu den Zielgruppen der Unternehmen der BEGO-Gruppe gehören Zahnärzte (Implantate), Dentallabore und Dentalhändler (Prothetik).

Ausgangssituation und Herausforderungen für BEGO

In dynamischen Märkten wie der Medizintechnik eröffnen sich immer wieder Wachstumsfelder. Dies können artverwandte Segmente bereits bestehender Märkte sein, es kann sich aber auch um vollkommen neue Geschäftsfelder handeln. Häufig eröffnet gerade die Digitalisierung durch Automatisierung neue Chancen. Beispielsweise lassen sich bis dato manuell gefertigte Produkte mittels automatisierter Fertigungsverfahren effizienter und effektiver herstellen und einem breiteren Markt zugänglich machen. Die Vertriebsleitung bestehender Außendienststrukturen stellen diese neuen Wachstumsfelder allerdings regelmäßig vor knackige Herausforderungen! Kritisch sind beispielsweise folgende Fragen:

  • Wie soll das neue Wachstumsfeld bearbeitet werden, ohne den Fokus auf das Stammgeschäft zu beeinträchtigen?
  • Richtige Bewertung – handelt es sich tatsächlich um ein Wachstumsfeld oder ›nur‹ um die Konversion des bestehenden Geschäfts in digitale Abläufe?
  • Wie kann für dieses Wachstumsfeld eine Umgebung geschaffen werden, sodass die potenzielle Dynamik nicht durch das Stammgeschäft belastet wird?

Dieser Beitrag befasst sich besonders mit dem Markt Deutschland. Die aktuelle BEGO-Organisation beschäftigt bundesweit rund 25 Außendienstmitarbeiter im Bereich Prothetik. In den vergangenen zehn Jahren wurde das Marktumfeld durch die fortschreitende Digitalisierung geprägt. Trotzdem änderte sich die Zielgruppe (Dentallabore) für das Unternehmen nur unwesentlich. Vielmehr konnte unter Einsatz ausgefeilter Führungsinstrumente (u. a. intensives Coaching und Anpassung der Anforderungsprofile) eine erfolgreiche Konversion vom analogen zum digitalen Geschäft generiert und begleitet werden.

Bereits im Jahr 2011 hat die BEGO-Organisation die Ansätze der Sales Excellence für sich entdeckt und zu diesem Zweck ein separates Sales Excellence Team installiert. Innerhalb dieses Teams, das sich aus Mitgliedern der Geschäftsführung, der Vertriebsleitung, des Marketings und des Vertriebsinnendienstes zusammensetzt, werden alle strategischen Initiativen für den Vertrieb verabschiedet, eingeleitet und begleitet.

Im Jahr 2012 eröffnete sich für BEGO durch die fortschreitende Digitalisierung der Zahnheilkunde mittels bildgebender Systeme und Automatisierungstechniken ein margenstarkes Wachstumsfeld mit Potenzial, das Portfolio von BEGO signifikant erweitern zu können. Das Sales Excellence Team inklusive Geschäftsführung beschloss, sich diesem Wachstumsfeld mittels eines gesonderten Außendienstes zu widmen (Side Force), der eng verzahnt mit dem bestehenden Außendienst (Main Force) zusammenarbeiten sollte. Damit sollte der erwarteten hohen Dynamik und dem nötigen neuen Fachwissen der Außendienstmitarbeiter Rechnung getragen werden. Die Zielgruppen beider Außendienstorganisationen waren deckungsgleich – gewerbliche Dentallabore. Analog zu der Struktur der Main Force wurde darüber hinaus eine Leitung der Side Force installiert, sodass in der Konsequenz zwei parallel agierende Strukturen geschaffen wurden.

Es liegt auf der Hand, dass die beschriebene Neuausrichtung erhebliche Potenziale für Konflikte bietet, zum Beispiel die Sorge der Main Force um einen Bedeutungsverlust, monetäre Vorbehalte zur Verteilung von variabler Vergütung oder eine unterschiedliche Ansprache der Kunden. Unsere Lösungsansätze, um diese Konflikte zu beheben, waren:

  • Sales Excellence als Bindeglied und Moderator zwischen den Organisationen
  • zeitlich begrenzte, doppelte variable Vergütung, dadurch große Akzeptanz und einen hohen Unterstützungsgrad seitens der Main Force
  • klare Rollenverteilung in der Arbeit am Kunden durch transparente Vertriebsprozesse (besonders in der Neukunden-Gewinnung)

Bei der Implementierung von parallel agierenden Außendienst-Teams, die mit unterschiedlichen Schwerpunkten, aber alle mit Verkaufsauftrag zu denselben Kunden fahren, sind neben einer klaren Aufgabeneinteilung und sauber kommunizierter Organisationsstruktur vor allem zwei Punkte für den Erfolg im Tagesgeschäft wichtig:

  1. Transparenz (durch Verkaufsprozesse)
    a) über Ziele und Maßnahmen
    b) über kundenbezogene Aktivitäten innerhalb der Außendienst-Teams
    c) über kundenbezogene Aktivitäten innerhalb der Gesamtorganisation
  2. Digitalisierung (durch CRM-Software)
    a) Die oben genannten Ziele, Maßnahmen und Aktivitäten müssen jederzeit für alle Beteiligten schnell abrufbar sein.
    b) Die eigenen Aktivitäten müssen schnell und einfach in einem dafür passenden Tool eingegeben werden können.

Mehr Transparenz führt zu einer Öffnung der sogenannten Blackbox Vertrieb. »Die Input-Output-Relationen sind oft unklar und Vertriebserfolge wirken wie ein persönliches Gesamtkunstwerk, das sich nicht standardisieren und multiplizieren lässt.« (Mercuri International Deutschland 2017; interne Quelle).

Transparenz, Digitalisierung, Standardisierung – für den durchaus erfolgreichen Vertriebs-Außendienstmitarbeiter, der seit 20 Jahren im Markt agiert, klingt das verständlicherweise zunächst sperrig und sorgt für Vorbehalte. Darüber hinaus muss er sich noch mit seinem neuen Kollegen aus der Side Force arrangieren, der nun auch zu seinen Kunden fährt und auf Themen spezialisiert ist, in denen er selbst gedanklich vielleicht noch nicht angekommen ist. Damit einher geht die Sorge, bei den eigenen, seit Jahren betreuten Kunden als inkompetent dazustehen. Letztlich schwingt hier die Angst mit, in dieser neuen Vertriebsorganisation zu versagen und dem neuen System zum Opfer zu fallen.

Wie also setzt man die Themen effektiv und effizient, aber auch mit Behutsamkeit und Rücksicht auf die Mitarbeiter um? Und wer nimmt dabei welche Rolle oder Funktion ein? Als wir uns mit diesen Fragen in unserem Sales Excellence Team beschäftigten, haben sich drei Schwerpunkte herauskristallisiert:

  1. Wir hatten keine systemisch verankerten und transparenten Verkaufsprozesse.
  2. Die Einführung von Verkaufsprozessen musste gesteuert und nachgehalten werden. Hierfür gab es keine Ressourcen in unserer Organisation.
  3. Das bis dahin vorhandene CRM-System entsprach nicht unseren (neuen) Anforderungen.

Wie sich die Entwicklung von Verkaufsprozessen, die Implementierung der Prozesse in einem CRM-System sowie die Steuerung und Nachhaltung bei BEGO entwickelt haben bzw. immer noch entwickeln, war ein durchaus komplexer Vorgang. Wir versuchen, uns für den Leser auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Entwicklung von Verkaufsprozessen

Welche Verkaufsprozesse gibt es? Hier galt es, sich auf die Hauptprozesse zu fokussieren, um zwar einerseits die ›Black Box‹ aufzulösen, aber andererseits die Mitarbeiter nicht mit der Bearbeitung von vielen kleinen Prozessen oder Schritten zu belasten. Das Ergebnis zeigt die Abbildung 1.

Abbildung 1: Auflösung der Vertriebs-Blackbox durch klare Prozesse (Quelle: intern)

Die dargestellte Entwicklung könnte den Eindruck erwecken, als sei sie schnell vollzogen und – seien wir ehrlich – sehr trivial und selbstverständlich. »Haben wir auch!« ruft nun der lesende Vertriebsmanager und klopft sich auf die Schulter. Herzlichen Glückwunsch! Dann haben Sie die in dem Schaubild erwähnten Workshops ohne nervenzerreibende Diskussionen und den immer wiederkehrenden Zwang zur Fokussierung quasi im Handumdrehen hinter sich gebracht und auch die einzelnen Prozess-Schritte schon definiert.

Definition einzelner Prozess-Schritte

Ebenfalls in Workshops, mit einem beteiligten Teil des Außendienst-Teams, wurde skizziert, wie ein Prozess inhaltlich aussieht. Das Ergebnis entsprach eher einem zeitgenössischen Kunstwerk als dem gewünschten transparenten Prozess. Die Ergebnisse zeigen die Abbildungen 2 bis 4.

Abbildung 2: Ergebnis des Prozesses Messerouting (Quelle: intern)
Abbildung 3: Ergebnis des Prozesses Neukundengewinnung (Quelle: intern)
Abbildung 4: Ergebnis des Prozesses Ausbau Lieferanteil 1 (Quelle: intern)

Dabei blieb es natürlich nicht. Zum einen, weil wir trotz Transparenz und Digitalisierung nicht die Individualität der Mitarbeiter (auf der immer noch zum größten Teil der Erfolg des Vertriebs beruht!) in ihrem Tun einschränken wollten. Zum anderen, weil die Akzeptanz von neuen Methoden und Systemen exponentiell zur steigenden Komplexität derselben sinkt.

Einige Jahre nach der Implementierung der Prozesse, deren Revision und der Einführung eines neuen CRM-Systems sind wir mittlerweile bei folgenden Darstellungen in den Abbildung 5 bis 7 angelangt.

Die Kunden bzw. potenziellen Kunden, die sich in den jeweiligen Prozessen bewegen, speisen sich zum einen aus den vorangegangenen Prozessen, zum anderen erfüllen sie beispielsweise bestimmte Kriterien, die die Vertriebsleitung zuvor für die Ansprache der Kunden innerhalb des Prozesses festgelegt hat. Auch die Außendienstmitarbeiter selbst können Kunden in bestimmte Prozesse ›schieben‹, um diese gezielt und zusammen mit ihren Kollegen aus der Side Force zu bearbeiten. Customer-Relationship-Management (CRM) ist die Basis-Voraussetzung um Organisationen mit Vertriebsmitarbeitern innerhalb von zuvor erarbeiteten Vertriebsprozessen effizient zu managen und zu führen. Alle Aktivitäten bezüglich der Kunden werden im CRM-System gespeichert. Die Mitarbeiter im Verkauf, die regionsübergreifend zu denselben Kunden fahren, sehen gegenseitig ihre Einträge und Aktivitäten, aber auch die von anderen benachbarten Organisationseinheiten, wie z. B. dem Vertriebs-Innendienst oder der Service-Hotline.

Mit bestimmten Prozess-Stufen sind darüber hinaus im CRM automatische Workflows hinterlegt. Wenn beispielsweise vom Außendienstmitarbeiter in der Main Force ein bestimmtes Feld innerhalb einer Prozess-Stufe befüllt wird, generiert sich dadurch automatisch eine Aufgabe für den Mitarbeiter aus der Side Force oder einer anderen Organisationseinheit. Diese wird dem entsprechenden Mitarbeiter per E-Mail vom CRM zugestellt. Wenn die Aufgabe erledigt wurde, trägt der Mitarbeiter das Ergebnis ebenfalls im CRM ein und der Kollege, der die Aufgabe erstellt hatte, wird automatisch benachrichtigt.

Abbildung 5: Ergebnis des Prozesses Messerouting II (Quelle intern)
Abbildung 6: Ergebnis des Prozesses Neukundengewinnung II (Quelle intern)
Abbildung 7: Ergebnis des Prozesses Ausbau Lieferanteil II (Quelle intern)

Über die Auswertung der Prozesse erlangt die Vertriebsleitung Transparenz über erfolgreiche und optimierungsbedürftige Marketingaktionen, über die durchschnittliche Dauer und den Ressourcenaufwand vom Start eines Prozesses bis zum Ende und letztlich auch über das Zusammenspiel der agierenden Mitarbeiter. Dem Kunden wiederum zeigt sich das Bild eines gut aufgestellten Partners, der für jede Fragestellung die richtige Lösung (den richtigen Ansprechpartner) anbietet. Wenn Main Force und Side Force nicht aufeinander abgestimmt agieren, wird der Kunde dies sofort bemerken.

Schöne neue Welt – und wo bleiben da die Kommunikation und das persönliche Miteinander? Eines ist gewiss – es geht weder ohne das eine noch das andere. Team Meetings, Abstimmungstelefonate und gemeinsame Kundenbesuche gehören immer noch zum Arbeitsalltag und sind unverzichtbar. Und wenn Verkaufsgebiete so übersichtlich wären, dass sich die Kollegen aus den Außendienst-Teams sowieso einmal am Tag an der Straßenkreuzung begegneten, könnte man wahrscheinlich einen guten Teil der Transparenz mittels Digitalisierung wieder durch das gute alte analoge Vorgehen ersetzen. Bei BEGO hat aber jeder Außendienstmitarbeiter ein Reisegebiet mit durchschnittlich mehr als 1.000 Kundenadressen in einem Umkreis von mehreren hundert Kilometern.

Nicht zu vergessen: Das Kaufverhalten der Kunden verändert sich. Die Digitalisierung ermöglicht es dem Kunden, sich vom Büro aus einen Überblick über Angebote, neue Technologien und Produkte zu verschaffen. Die Kaufentscheidung fällt zu einem nicht unerheblichen Teil zu einem Zeitpunkt, zu dem der Außendienstmitarbeiter noch nicht einmal an der Tür geklingelt hat. Schnelligkeit kann in einer Welt voller vergleichbarer Produkte der entscheidende Wettbewerbsvorteil sein. Wenn wir die Anstrengungen (und Kosten!) der Einführung von Verkaufsprozessen und einem neuen CRM-System am Ende auf uns genommen haben, um einen kleinen Moment (und zwar den entscheidenden) schneller zu sein als andere, dann ist es gut. Die Analyse der Verkaufsprozesse in den Jahren seit der Einführung zeigt, dass wir unsere Frequenz der Kundenkontakte um mehr als 18% steigern konnten.

Entwicklung der Vertriebsorganisation im Laufe der Jahre

Die Veränderungen im Vertrieb von BEGO zeigen auch die Schritte in der Organisation deutlich. Es ging dabei um:

  • Aufbau und Integration von Wachstumsfeldern (Main Force & Side Force)
  • Aufbau und Stärkung der Verantwortlichkeiten für Vertriebsprozesse im CRM
  • Stärkung des Vertriebs als Unternehmenseinheit

In den Abbildungen 8 bis 12 zeigen die Organigramme 2007 bis 2017 die Anpassungen der Vertriebsorganisation an die Veränderungen

Abbildung 8: Organigramm des Vertriebs von BEGO national in 2007 (Quelle intern)
Abbildung 9: Organigramm des Vertriebs von BEGO national in 2009 (Quelle intern)
Abbildung 10: Organigramm des Vertriebs von BEGO national in 2011 (Quelle intern)
Abbildung 11: Organigramm des Vertriebs von BEGO national in 2013 (Quelle intern)
Abbildung 12: Organigramm des Vertriebs von BEGO national in 2017 (Quelle intern)

Fazit

Zum heutigen Zeitpunkt (2017) steuert das adressierte Wachstumsfeld der patienten-individuellen Implantat Prothetik, bereits einen signifikanten zweistelligen Prozentanteil zum erwirtschafteten Ergebnis des Unternehmens bei. Es ist gelungen, diesem Wachstumsthema über eine gesonderte Außendienstorganisation und -führung einen unbelasteten und hochdynamischen Start zu ermöglichen. Innerhalb von fünf Jahren konnte durch den Einsatz einer dedizierten Side Force in diesem Segment ein Marktanteil von über 20% erreicht werden. Durch die Definition und Schaffung von transparenten Vertriebsprozessen, konnten Konflikte zwischen den Organisationen und damit einhergehende Reibungsverluste verhindert werden. Die rechtzeitige und sukzessive Integration der Side Force in die Hauptorganisation verstärkte und festigte das Wachstum und implementierte schließlich das ursprüngliche Wachstumsthema als festen Bestandteil in die vereinigte Main Force.

Diesen Beitrag verfassten Axel Klarmeyer, er verantwortet den globalen Geschäftsführungsbereich Vertrieb der BEGO, und Stephanie Mey, unter anderem bei BEGO verantwortlich für die Implementierung, den Ausbau und das Controlling von Vertriebsprozessen und deren Einbindung im CRM-System.

Kundenstimme Bego

„Die Bego Unternehmensgruppe ist ein deutsches Dentalunternehmen mit Sitz in Bremen, das Zahntechniker und Zahnärzte versorgt. Wir haben im Management Team bei BEGO im Jahr 2010 erkannt, dass wir uns für die kommenden Herausforderungen in unserer Branche rechtzeitig wappnen müssen. Gemeinsam mit unserem Partner Mercuri International haben wir Verbesserungspotentiale identifiziert, den BEGO-Vertrieb strategisch neu aufgestellt, die Vertriebsarbeit deutlich professionalisiert und danach konsequent und erfolgreich umgesetzt.“

Axel Klarmeyer – Geschäftsführung – BEGO Bremer Goldschlägerei Wilh. Herbst GmbH & Co. KG