In unserer Rubrik „10 Fragen an Vertriebsprofis“ sprechen wir mit Vertriebs-Führungskräften unterschiedlicher Branchen und Unternehmensgrößen. Gemeinsam greifen wir aktuelle Zukunftstrends im Vertrieb auf, leuchten aber auch ein bisschen hinter die Kulissen unserer Kunden und Unternehmen.
Die EUROMASTER GmbH ist ein Tochterunternehmen des Reifenherstellers Michelin und spezialisiert auf Reifen-, Auto- und Werkstattservices. Das Unternehmen ist in 17 europäischen Ländern mit 2.300 Filialen vertreten und beschäftigt 11800 Mitarbeiter, davon rund 2000 in Deutschland. In Deutschland betreibt Euromaster 350 eigene Servicecenter und Franchisebetriebe. Der Hauptsitz befindet sich in Mannheim.
Mein Dank gilt Herrn Andreas Berents, Geschäftsführer bei der EUROMASTER GmbH, der uns im folgenden Interview einen interessanten Einblick in die Vertriebsstrukturen seines Unternehmens gibt.
CP: Herr Berents, als Geschäftsführer der EUROMASTER GmbH mit Sitz in Mannheim sind Sie u.a. für alle vertrieblichen Aktivitäten im In- und Ausland verantwortlich. Was zeichnet Ihre Position aus? Welche sind Ihre konkreten Tätigkeiten? Und welche vertrieblichen Stationen haben Sie in Ihrer beruflichen Laufbahn bereits innegehabt?
Andreas Berents: Die größte Herausforderung im Vertrieb und somit in meiner Aufgabe als Geschäftsführer bei EUROMASTER sehe ich darin, die Bedürfnisse unserer Mitarbeiter und Franchisenehmer in einem dynamischen Markt immer wieder aufs Neue zu erkennen, damit wir die Mobilität unserer Kunden kompetent sichern können. Kundenzufriedenheit – das ist unsere feste Überzeugung – geht nur, wenn die arbeitenden Menschen in der Organisation sich wohl fühlen, die Prozesse stimmen, die Werkzeuge eine gute Arbeitsqualität sicherstellen und wir insgesamt eine Kultur entwickeln, die den Kunden spüren lässt, dass wir lieben, was wir tun und machen, was wir lieben.
… unsere Kunden möchten das gesamte Leistungspaket unter einer Adresse und möglichst keine Zeit verlieren… sie müssen ihren Arbeitsplatz nicht verlassen… wir „euromastern“ das.
Bei EUROMASTER geht der Trend immer stärker zum Rund-um-Shopping-Angebot, das heißt unsere Kunden möchten das gesamte Leistungspaket unter einer Adresse und möglichst keine Zeit verlieren. Unser Hol- und Bringservice in großen Städten ist da nur ein Beispiel in unserer Servicepalette: Der gesamte Prozess ist digitalisiert, von der Buchung über einen Live-Chat bis hin zur Bezahlung. Sie müssen ihren Arbeitsplatz nicht verlassen, können zum Sport oder bleiben einfach im Bett liegen, denn wir „euromastern“ das.
Bevor ich zu EUROMASTER kam, war ich 12 Jahre lang Geschäftsführer bei MISTER MINIT in Deutschland, Dänemark, Polen und der Tschechischen Republik. In diesem Geschäft habe ich einen fantastischen Lernprozess erfahren dürfen, in dem mir klar wurde, dass es nicht wichtig ist, was Du verkaufst, sondern wie Du verkaufst. Auch hier mussten wir das Angebot dem Markt anpassen, haben aber kein Produkt und keine Dienstleistung neu eingeführt, ohne Beteiligung der Menschen, die den direkten Kontakt zum Kunden hatten.
CP: Was war Ihr außergewöhnlichstes oder lustigstes Erlebnis in Ihrem Vertriebsleben?
Andreas Berents: Das darf man eigentlich gar nicht erzählen, aber in meiner Zeit bei MISTER MINIT mussten wir leider auch viele Filialen schließen. Nicht immer gelang es, eine Einigung mit dem Vermieter zu erzielen. Ich erinnere mich noch genau, wie ich frustriert aus einer erfolglosen Verhandlung herauskam und mir am nächsten Tag das verantwortliche Vertriebsteam gestand, sie hätten die Filiale nachts abgebaut und damit das Problem mit dem Betreiber des Supermarkts gelöst. Das war eine ganz besondere Form von Teamarbeit. Und ich weiß, dass wir bei EUROMASTER auch eine Kultur der Leidenschaft für das Unternehmen haben, die vergleichbar ist.
CP: Die meisten Autofahrer kennen EUROMASTER durch seine Servicecenter. Einen beträchtlichen Teil Ihres Umsatzes erwirtschaften Sie allerdings im B2B-Geschäft. Wer sind Ihre Kunden und welche Lösungen bieten Sie hier an?
Andreas Berents: Zu unseren Kunden im B2B-Geschäft zählen im PKW-Segment Leasinggesellschaften wie LeasePlan, Autovermietungen wie Hertz und große Unternehmen wie beispielsweise SAP oder die Deutsche Post. Im Heavy-Bereich betreuen wir viele nationale und internationale Speditionen sowie Bau- und Agrarunternehmen. Im PKW-Geschäft bieten wir unseren Kunden in der Regel das Komplettpaket, also Auto-, Autoglas und Reifenservice, im Bereich Heavy vorwiegend Reifenservice, zunehmend auch Autoglas und natürlich unseren 24/7-Pannenservice.
Wer sich heute intensiv um seine Leute kümmert, wird morgen keine leere Werkstatt haben.
CP: Als Anbieter von Reifen- und Werkstattservices befinden Sie sich in einer sehr heterogenen Wettbewerbslandschaft zwischen einigen großen Marktbegleitern und vielen kleinen Anbietern und Werkstätten. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen in der Marktbearbeitung?
Andreas Berents: Um in diesem Haifischteich überleben zu können, sehe ich unterschiedliche Hebel: Zuallererst die konsequente Weiterentwicklung unserer Fach- und Führungskräfte sowie die Zuführung neuer Qualifikationen. Darüber hinaus wünschen wir uns mehr Frauen im Unternehmen und wollen eine gesunde Mischung aus alt und jung dazu nutzen, um Digitalisierung, autonomes Fahren oder E-Mobilität nicht als Schlagworte verkümmern zu lassen. Wer sich heute intensiv um seine Leute kümmert, wird morgen keine leere Werkstatt haben. Dann denke ich, in der aktuell wahrzunehmenden Konsolidierung im Markt muss man offen sein für strategische Allianzen und Partnerschaften. Wir wollen wachsen. Das werden wir nur schaffen, wenn wir freie Werkstätten überzeugen können, dass eine Partnerschaft mit uns großen Sinn macht und dabei hilft, neue Märkte zu erobern und somit langfristig die Existenz des Betriebes zu erhalten.
CP: Wie ist entsprechend Ihrer Kundenstruktur Ihre Vertriebsorganisation aufgestellt? Gibt es bspw. ein Key Account Team oder Spezialisten nur für Flottenkunden?
Andreas Berents: Wir haben Vertriebsleiter, die unsere eigenen Servicefilialen betreuen und Consultants für unsere Franchisepartner. Parallel haben wir ein Team von Key Account Managern, die die ersten Ansprechpartner für unsere Geschäftskunden sind. Darüber hinaus haben wir Spezialisten, die für Fachfragen beratend zur Seite stehen, zum Beispiel für Landwirte oder Kunden aus der Industrie.
Die Organisation muss immer da unterstützen, wo die größte Wertschöpfung entsteht. Das ist nicht nur im Vertrieb, sondern auch im Back-Office der Fall.
CP: Das Image des Vertriebs ist nicht in jedem Unternehmen gut. Wie wird der Vertrieb in Ihrem Unternehmen durch die anderen Unternehmensbereiche wahrgenommen und unterstützt?
Andreas Berents: Die Organisation muss immer da unterstützen, wo die größte Wertschöpfung entsteht. Das ist nicht nur im Vertrieb, sondern auch im Back-Office der Fall, insbesondere wenn man – wie bei EUROMASTER – überwiegend mit B2B-Kunden arbeitet. Dass nur draußen im Feld das Geld verdient wird, ist einfach nicht wahr. Insofern ist unsere Kultur von gegenseitiger Unterstützung geprägt.
CP: Viele Vertriebsorganisationen werden immer noch ausschließlich über Umsatz, also ergebnisorientierte Kennzahlen geführt und incentiviert. Der Trend geht nun stärker zu aktivitätenbezogenen KPIs. Wie bzw. mit welchen Kennzahlen führen Sie Ihre Organisation?
Andreas Berents: Für uns sind Steuerungsgrößen wichtiger als rein ergebnisorientierte Zahlen, auch wenn wir eine hundertprozentige Tochter des Michelin-Konzerns sind.
Mehr als die Hälfte der Reifenkäufe beginnt heute mit einer Online-Recherche… Die neue Customer Journey… bietet uns die Möglichkeit, ein noch besseres Kundenerlebnis zu schaffen.
CP: „Customer Journey“, „Social Selling“, „Digitale Sales Transformation“ – derzeit schweben viele Worthülsen durch den digitalen Orbit. Was bedeutet Digitalisierung im Vertrieb für EUROMASTER? Wie setzen Sie die Digitalisierung für Ihre Mitarbeiter ein und wie profitieren Ihre Kunden davon?
Andreas Berents: Mehr als die Hälfte der Reifenkäufe beginnt heute mit einer Online-Recherche. Diese Entwicklung bietet uns eine große Chance. Die neue Customer Journey, die Reise des Kunden vom Interesse bis zum Kauf, bietet uns die Möglichkeit, ein noch besseres Kundenerlebnis zu schaffen: Wir können digital deutlich mehr Informationen zu den einzelnen Produkten bereitstellen und ein breiteres Produktportfolio anbieten. Daher steht die Weiterentwicklung der digitalen EUROMASTER-Welt und digitaler Angebote auch in den kommenden Jahren weiter im Fokus. Digitalisierung bedeutet aber prioritär für uns Mitarbeiterbedürfnisse bei der täglichen Arbeit zu verstehen und sie dann zu automatisieren. Gelingt das, wird der Kunde höchst zufrieden sein.
Der Vertrieb wird nicht mehr vorwiegend durch den Preis gesteuert, sondern immer stärker über ein Paket aus Preis und Serviceleistung.
CP: Wie wird sich Ihrer Meinung nach der Vertrieb in Zukunft entwickeln?
Andreas Berents: Die Digitalisierung hat den Vertrieb stark verändert und wird ihn auch zukünftig weiter verändern. Sie hat eine Vielzahl von Möglichkeiten mit sich gebracht, neue Zielgruppen und neue Kunden anzusprechen und sie dauerhaft für EUROMASTER zu gewinnen. Online-Kunden liefern ein klares Profil, so dass sie gezielter über individuelle Vorteilsaktionen informiert werden können. Durch die hohe Transparenz wird der Vertrieb nicht mehr vorwiegend über den Preis gesteuert, sondern immer stärker über ein Paket aus Preis und Serviceleistung.
CP: Eine letzte Frage zum Schluss: Wo lassen Sie die Wartung und den Reifenwechsel Ihrer privaten Autos vornehmen?
Andreas Berents: Was für eine Frage! Natürlich bei EUROMASTER. Allerdings schließt das den ein oder anderen Testkauf bei Mitbewerbern ja nicht aus.
CP: Vielen Dank, Herr Berents, für Ihre Zeit und das Interview.
Das Interview führte Christian Peters, Leiter Marktentwicklung.