Der Ketchup Effekt – Auswirkungen von fehlender Planung im Vertrieb

Kennen Sie den sogenannten Ketchup Effekt: Sie wollen Ihre Pommes Frites geschmacklich verbessern, doch leider will der Ketchup nicht aus der Flasche? Also schütteln Sie die Flasche, klopfen energisch auf den Boden und …schwupps kommt zu viel auf einmal heraus. Das Ergebnis: Sowohl der Teller als auch Sie sind bekleckert. 

Ketchup scheint ein so harmloser Geschmacksverstärker zu sein. Tatsächlich aber gilt er in der Physik als eine der kompliziertesten Flüssigkeiten, der sich bei entsprechender Kraftaufwendung von einem festen Stoff in einen flüssigen verwandelt. 

Vergleichen wir den Ketchup Effekt mit der vertrieblichen Arbeit in Unternehmen, zeigen sich Parallelen. Der Vertrieb kämpft täglich um Ertrag, Umsatz, Marktanteile etc…. Jedoch scheint trotzdem lange nichts zu passieren, bis dann oft zeitgleich – gewissermaßen mit einem Plopp – die Aufträge hereinkommen. Zuerst überwiegt die Freude, dann aber zeigt sich die Herausforderung. Die Produktion kommt nicht nach, ebenso wenig die Logistik. Fehlerquoten steigen, Kunden können nicht pünktlich beliefert werden und beschweren sich. Dadurch entsteht Frust, Ratlosigkeit, Überarbeitung. Internen, unterstützenden Abteilungen fällt es dann oft schwer, zu unterscheiden, welche Anfragen wirklich erfolgsversprechend sind. Sie können oft nur schwerlich erkennen, wann Aufträge in welcher Menge eingehen werden. Das wiederum erschwert eine vorausschauende, präzise Planung. Wie lassen sich nun diese Effekte verhindern? Die Ketchup-Industrie bietet als Alternative die Plastikflasche, um eine gezieltere Dosierung zu erleichtern. 

Die Plastikflasche des Vertriebs kann im übertragenden Sinne das Opportunity Management sein. 

Opportunity Management ist im Grunde nichts anderes als die visuelle Darstellung des eigenen Vertriebsprozesses mit dem Ziel, alle kritischen Erfolgsfaktoren des Prozesses zu managen und frühzeitig zu beeinflussen. Hier eine Übersicht der wichtigsten Vorteile und Herausforderungen: 

Die Vorteile für den Vertrieb liegen auf der Hand: 

  1. Sie können sich auf Ihre besten Chancen konzentrieren und Ihre eigenen Ressourcen optimal einsetzen.
  2. Sie halten Ihre Chancen in einem ausgewogenen Verhältnis – Generieren neuer Chancen un das Managen bestehender Chancen werden in eine sinnvolle Balance gebracht.
  3. Sie können Ihre Vorgehensweise proaktiv planen: Entwickeln von Anfragen, Angebote erstellen und präsentieren, Verkaufsabschlüsse herbeiführen
  4. Sie können Ihren Umsatz besser prognostizieren – Wie hoch wird Ihr Ergebnis wahrscheinlich sein und in welcher Geschwindigkeit wird dieses erreicht?
  5. Sie können Opportunity Management als Lernwerkzeug nutzen: In welchen Schritten stockt der Prozess? Wo können Sie zukünftig besser oder auch einfach schneller sein?

Wo liegen Herausforderungen? 

Herausforderung Nr.1 : Keine eindeutige Definition der einzelnen Schritte des Verkaufsprozesses, um zu Aufträgen, neuen Kunden etc. zu kommen. Wichtig sind vor allem die genau definierten Erfolgskriterien, um zum nächsten Meilenstein des Verkaufsprozesses zu gelangen. Ansonsten schätzen Sie Ihre Erfolgswahrscheinlichkeiten falsch und zu optimistisch ein. Wann sollte zum Beispiel der Schritt von der „Bedarfsanalyse“ zum „Angebot für den Kunden entwickeln“ gegangen werden? Ein Beispiel: 

Wann macht es Sinn, ein Angebot zu schreiben?

  • Haben wir mit ALLEN einflussreichen Stakeholdern und Entscheidungsträgern gesprochen?
  • Haben ALLE Stakeholder unsere Zusammenfassung ihrer Bedürfnisse akzeptiert?
  • Wurden intern Mittel genehmigt und freigegeben?
  • Wurden alle Meilensteine und der Zeitplan vereinbart?
  • Haben wir eine Risikobewertung durchgeführt?

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Herausforderung Nr. 2: Keine genauen Prognosen der Erfolgswahrscheinlichkeiten.

Stehen unsere Erfolgswahrscheinlichkeiten bei 20% oder doch bei 40% oder doch bei 60%? Überlassen Sie diese Definitionen nicht dem Bauchgefühl der einzelnen Mitarbeiter. Verkürzen Sie diese Überlegungen durch einheitliche Standards (z.B. mit allen relevanten Entscheidern gesprochen, mündliche Zusage erhalten, Liefertermin mit Kunden festgelegt.

Herausforderung Nr. 3: Vertriebsmitarbeiter tun sich schwer damit, ein realistisches Maß an Aktivitäten zu definieren.

Warum fällt es in der Praxis so schwer, realistische Quoten zu definieren? Zu Beginn schätzt man seine Erfolgsquoten selbst zu niedrig ein. Nehmen wir einen einfachen Prozess: Terminvereinbarung, Bedarfsanalyse, Angebot erstellen und präsentieren, Abschluss. Nehmen Sie an, Ihre Erfolgsquote bei der Terminvereinbarung liegt bei 1:10. Nach dem Termin dürfen Sie bei 1/3 aller Kunden ein Angebot erstellen, dieses führt bei 1/3 aller Kunden zum Erfolg. Ergebnis der Kalkulation: Bei 1% aller potenziellen Kunden, die ich anrufe, bin ich erfolgreich. „Das ist ja unrealistisch“ denkt der erfahrene Verkäufer und lehnt Opportunity Management komplett ab, obwohl er zuvor seine eigenen Zahlen hat einfließen lassen. 

Eine zweite Möglichkeit ist, der Vertriebler gibt nur Chancen ein, die sicher zum Erfolg führen. Seine Quoten liegen dann bei 90%. Er glaubt zeigen zu können, dass er ein wahrer Vertriebsheld ist. Er bedenkt dabei nicht, dass auch Helden bei der Akquise keine 100%ige Trefferquote haben. „Wahrscheinlich wird er nur angerufen und bearbeitet nur sichere Anfragen der Kunden“ werden andere denken. In diesem Schritt ist daher sensibles Vorgehen notwendig: Kennziffern sollten nicht als Strafinstrument eingesetzt werden, sondern als Werkzeug für den Verkäufer, um sein eigenes Vorgehen zu optimieren. 

Welche Vorteile entstehen für andere Abteilungen im Unternehmen durch das professionelle Managen der Opportunities? Sie können ihre eigenen Tätigkeiten präziser steuern und dosieren. Das wiederum ermöglicht eine präzisere Planbarkeit der eintreffenden Aufträge und eine bessere Einhaltung von Lieferterminen. Richtig eingesetzt, verhindert also das Opportunity Management, dass der oben beschriebene „Plopp-Effekt“ auftritt.

Hartwig Willenborg, Senior Consultant.