Entwickeln und umsetzen einer Digitalisierungsstrategie 2020 – Interview mit Axel Klarmeyer (Geschäftsführer BEGO)
Die Digitalisierung im Vertrieb bietet große Chancen, Produkte & Services erfolgreich und profitabel zu vermarkten. Über Herausforderungen, Ergebnisse und Erfahrungen im Projekt Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie 2020 erzählt Axel Klarmeyer, GF der BEGO Bremen in dem Interview mit Mercuri International.
Mercuri International: Was hat Sie bewogen, 2017 das Projekt „Entwicklung einer Digitalisierungs-Strategie 2020 mit Mercuri International“ zu starten?
Axel Klarmeyer: Grundsätzlich verstehen wir es im BEGO Management als unsere Aufgabe, regelmäßig zu überprüfen: Sind wir noch richtig aufgestellt? Wo liegen Potentiale in der Marktbearbeitung, um besser, schneller, effizienter und präziser zu werden? Gleichzeitig bieten die Entwicklungen der Digitalisierung neue Optionen, unsere Produkte und Services zu vermarkten. Diese Optionen wollen bzw. müssen wir nutzen. Hinzu kommt, dass unsere Kunden, im Wesentlichen Dentallabore, zukünftig ihr Kaufverhalten ändern werden. Nicht erklärungsbedürftige Verbrauchsmaterialien werden stärker online bestellt, komplexere Lösungen und Dienstleistungen über den persönlichen Verkauf. Ein weiterer Grund für unser Projekt sind neue leistungsstarke Wettbewerber, die den Gesundheits- und Dentalmarkt als lukrativ identifiziert haben. So hat sich u. a. Amazon auf dem Chicago Midwinter Meeting als Onlinehändler für Dentalprodukte mit eigenem Stand präsentiert. Diese Entwicklungen verlangen Lösungen.
MI: Was sind die wichtigsten Ziele des Projekts?
AK: Es besteht kein Zweifel daran, dass wir auch zukünftig profitabel wachsen müssen – unter erschwerten, komplexeren Marktbedingungen. Konkret erwarten wir, dass der Vertriebs-EBIT ab dem Jahr 2020 absolut deutlich stärker wächst als aktuell. In diesem Kontext suchen wir Antworten zu u. a. folgenden Fragen: Wie sieht der relevante Markt der unmittelbaren Zukunft aus? Wie entwickelt sich die Buying Journey der Kunden? Was können wir von anderen Unternehmen lernen? Wie verhalten sich Wettbewerber, welche neuen Player kommen hinzu? Wo verspricht die Digitalisierung die größten Potenziale? Wie soll die Marktbearbeitung/der Vertrieb ausgerichtet werden? Wie können digitale, agile Fähigkeiten und eine entsprechende Kultur bei Führungskräften und Mitarbeitern entwickelt werden? Welche konkreten Initiativen sollen innerhalb der nächsten 3 Jahre realisiert werden?
MI: Welche Schwerpunkte sind in dem Projekt gesetzt worden; wie war der bisherige Ablauf?
AK: Die 1. Projektphase bildete ein sogenannter Quick Check. Dabei wurden Kunden und ausgewählte Händler befragt, wie sie zukünftig einkaufen und welche Rolle die Digitalisierung spielen wird. Alle unsere Tochtergesellschaften, 79 Mitarbeiter aus 7 Ländern erhielten online die Chance, wichtige Schwerpunkte für die digitale Marktbearbeitung zu nennen und den aktuellen digitalen Reifegrad der BEGO einzuschätzen. Weiterhin haben wir Benchmarks mit Unternehmen durchgeführt, die eine vergleichbare Ausgangssituation aufweisen, allerdings die digitale Ausrichtung schon weiter vorangetrieben haben als wir. Mit der Ruhr-Universität Bochum haben wir diskutiert, was digitale Champions auszeichnet und was davon für uns übertragbar ist. In der 2. Projektphase wurden in der Projektgruppe, basierend auf der zukünftigen Buying Journey unserer Kunden, Verkaufsprozesse neu definiert. Dabei wurden die Aufgaben für Marketing, Vertrieb, Anwendungsberatung und Service neu verteilt, Anforderungen an die IT formuliert, um nur einige Beispiele zu nennen. In der 3. Projektphase werden die Prioritäten für die Umsetzungsphase fixiert, die dann in 2019 startet.
Die veränderte Buying Journey der Kunden und der daraufhin neu justierte Verkaufsprozess verlangen, dass Vertrieb, Marketing und Service/Anwendungsberatung wesentlich enger kooperieren.
MI: Was sind wesentliche Erkenntnisse und Ergebnisse?
AK: Der Bedarf an Dienstleistungen, Services und Beratung wird aufgrund der neuen Technologien rund um Scanner und 3D-Drucker bei unseren relevanten Zielgruppen weiter zunehmen. Das vergleichsweise einfache Geschäft mit standardisierten Produkten wird sich zukünftig stärker in den Online-Shop verlagern. Der Außendienst kann seine wertvollen Ressourcen dadurch stärker auf beratungsintensive Angebote konzentrieren. Die veränderte Buying Journey der Kunden und der daraufhin neu justierte Verkaufsprozess verlangen, dass Vertrieb, Marketing und Service/Anwendungsberatung wesentlich enger kooperieren. „One voice-to the customer“ wird essentiell sein, um Kunden zukünftig zu überzeugen. Digitales Marketing (z. B. Adwords, Suchmaschinen-Optimierung) sowie die Nutzung der Social Media-Optionen werden deutlich ausgebaut. Weiterhin werden gezielte Kampagnen rund um den Online-Shop und E-Commerce den Vertrieb dabei begleiten, Kunden einen offenen Kanal zu bieten, die gerade erst am Anfang stehen, ihr Bestellwesen zu digitalisieren. Wir wollen Kunden rund um die Uhr unterstützen und Lösungen bieten können. Über kurze Videos werden Anleitungen zur Selbsthilfe auf der Homepage angeboten. Damit soll u. a. auch der Innendienst am Telefon entlastet werden. Er wird mehr Zeit für komplexere Anfragen, als auch gezielte Initiativen haben.
MI: Was verändert sich für den klassischen Vertrieb?
AK: Die teure, wertvolle Ressource Vertriebsmitarbeiter soll wesentlich gezielter eingesetzt und gesteuert werden. Dazu planen wir den Einsatz von Prognoseverfahren (Predicitive Analytics), die auf Künstlicher Intelligenz basieren und die Erfolgswahrscheinlichkeiten des Verkaufs bestimmter Produkte berechnen. Die Anforderungen an alle in die Betreuung von Kunden involvierten Mitarbeiter ändern sich deutlich. Themen wie Agilität und Verkauf mit Hilfe Sozialer Medien sowie Storytelling werden essentiell wichtig. Die Kundenhoheit erweitert sich vom Vertriebler auf zusätzliche Bereiche (Marketing, Anwendungsberatung etc.). Der Vertrieb soll den Kunden Orientierung geben, wo sich Informationen finden lassen und wie der Kunde auf Wunsch selbstständig bestellen kann.
MI: Was sind die größten Herausforderungen, wie geht das BEGO Projektteam damit um?
AK: Die Führungskräfte und Mitarbeiter auf diesem Weg mitzunehmen, zu entwickeln und davon zu überzeugen, dass unsere Neuausrichtung vor allen Dingen große Chancen für uns alle bietet.
MI: Vielen Dank, Herr Klarmeyer!
Das Interview führte Matthias Huckemann, Managing Director bei Mercuri International.