Erfolgsfaktoren von effizienten Verkaufsprozessen (Teil 1/2)

Die Prozessorientierung hat in Unternehmen seit geraumer Zeit einen hohen Stellenwert – man denke nur an den Unternehmensbereich Produktion. Gemein ist allen Prozessen die Unterteilung in Teilschritte und das Bemühen um Optimierung und Standardisierung. Auch im Sport spricht man von Prozessen. So unterteilt sich ein Skisprung z.B.   in die Phasen Anlauf, Absprung, Flughaltung und Landung auf. Jede dieser Phasen wird systematisch geplant und im Hinblick auf größtmögliche Weite bestmöglich optimiert. Denn wie wir alle wissen –  minimale Abweichungen entscheiden über Sieg und Niederlage.

Der Verkauf hat sich dem Prozessgedanken lange Zeit entzogen. Er galt als eine Art „Black Box“, die sich einer ingenieurmäßigen Planung entzieht. Als Grund wird auch heute noch der „Unsicherheitsfaktor Mensch bzw. Kunde“ ins Feld geführt. Jeder Kunde, jede Verkaufssituation ist anders und erfordert auch eine individuelle Lösung, so hatte es einmal ein Workshop-Teilnehmer formuliert.

Wirklich? Unserer Meinung nach sind Verkaufsprozesse Erfolgspfade. Sie bieten keine Erfolgsgarantie, sie erhöhen aber die Erfolgswahrscheinlichkeit signifikant. Ein Grund: In die Konzeption dieser Erfolgspfade fließt die kollektive Vertriebsintelligenz der Verkaufsmannschaft ein. Jede Phase des Prozesses wird vor dem Hintergrund vieler Kundengespräche systematisch   geplant und auch trainiert. So verankern sich Verkaufsprozessschritte als Automatismen im Verhaltensrepertoire der Verkäufer. 

Abb.: Einflussfaktoren, Stufen und Erfolgsfaktoren von Verkaufsprozessen

Mercuri International hat in den letzten Jahren eine Vielzahl von Verkaufsprozessen – gemeinsam mit Kundenteams – entwickelt und implementiert. Nachfolgend eine Zusammenfassung wichtiger Erfolgsfaktoren.

Erfolgsfaktor 1: Orientierung des Verkaufsprozesses an der Buying Journey bzw. am Kaufprozess der Kunden

Zentralisierung und Internationalisierung des Einkaufs, Digitalisierung des Einkaufsprozesses, systematische Lieferantenselektion und -entwicklung, veränderter Einfluss der Mitglieder von Buying Centern – die Liste der Veränderungen im Kaufprozess ist lang. Ein Verkaufsprozess soll den Kaufprozess spiegeln und beeinflussen. Eine möglichst genaue Kenntnis der Buying Journey ist deshalb absolut erfolgskritisch. Gerade aktuell beobachten wir gravierende Veränderungen im Informationsverhalten von Entscheidern – zum Teil bedingt durch den Generationswechsel in den Unternehmen. Die Generation „Y“ übernimmt Verantwortung und informiert sich proaktiv zunehmend über digitale Medien. Lange bevor man mit Verkäufern face2face spricht. Untersuchungen gehen davon aus, dass bereits in wenigen Jahren über 80 % eines Kaufprozesses abgeschlossen ist, bevor ein Einkäufer einen Verkäufer face2face trifft. Dies hat natürlich gravierenden Einfluss auf den Verkaufsprozess.

Tipp: Starten Sie die Erarbeitung eines Verkaufsprozesses mit der Analyse der Kaufprozesse ihrer Kunden und der sich abzeichnenden Veränderungen. Die Bedeutung persönlicher Kundenbesuche in den Frühphasen von Kaufprozessen wird wahrscheinlich geringer. Stattdessen wird der digital footprint Ihres Unternehmens wichtiger.  Bieten Sie Ihren Kunden digitale Kontaktmöglichkeiten für die Frühphasen von Kaufprozessen.

Erfolgsfaktor 2: Hinterfragen Sie jede Stufe des Verkaufsprozesses hinsichtlich Ziel, Inhalt und Mehrwert für den Kunden

Ein Verkaufsprozess beginnt meist mit der Zielgruppendefinition und erstreckt sich über die Selektion konkreter Zielkunden, die Initiierung von Erstkontakten, die Bedarfsermittlung und -entwicklung, die Erarbeitung und Präsentation von Lösungen, die kommerzielle Verhandlung, die Erzielung von Abschlüssen bis zu kontinuierlichen Kunden-Relationshipmaßnahmen. Buying Center werden perspektivisch komplexer. Man muss sich also genau überlegen, wen will man in den einzelnen Kaufphasen schwerpunktmäßig persönlich betreuen und wie kann die Kommunikation mit anderen Mitgliedern des Buying Centers gestaltet werden? Welches Informationsbedürfnis haben die Beteiligten und wo liegen die Interessen der jeweiligen Funktionen und Personen?

Die Erfahrung zeigt, dass die Art wie wir die einzelnen Stufen des Verkaufsprozesses gestalten, das Potenzial besitzen, einen Wettbewerbsvorteil zu generieren. Und das sollte auch der Anspruch sein! Dinge zu tun, nur weil man sie schon immer so gemacht hat … ist kein gutes Argument.

Tipp: Stellen Sie jede Stufe des Verkaufsprozesses auf den Prüfstand. Fragen Sie sich: Wie erfolgskritisch ist die jeweilige Stufe, was machen Ihre besten Verkäufer in dieser Phase ggfs. anders als ihre Kollegen, wo liegt ggfs. ein positives Überraschungsmoment für Ihre Kunden?

Erfolgsfaktor 3: Die richtigen Personen in den Verkaufsprozess einbeziehen

Früher wurden meist alle Schritte eines Verkaufsprozesses quasi in personalunion durch den Verkäufer bearbeitet. Dies führte meist zu höheren Büroverweilzeiten bzw. ging auf jeden Fall zu Lasten der „aktiven Verkaufszeit“.  Nicht zuletzt führte dies in Teilbereichen zudem zu fachlich suboptimalen Ergebnissen. Stellen Sie sich also die Frage, durch welche weiteren Mitarbeiter der Verkaufsprozess unterstützt werden kann.  In frühen Phasen des Verkaufsprozesses kann z.B. Directmarketing federführend die Generierung von Awareness vorantreiben. Bei der Selektion von Zielkunden bzw. der Qualifizierung von Leads bis hin zur Vereinbarung von Gesprächsterminen haben viele Unternehmen gute Erfahrungen mit dem Einsatz verkaufsorientierter Innendienstmitarbeiter gesammelt. Im weiteren Verlauf kommen oftmals Spezialisten im Rahmen von Tandemkundenbesuchen zum Einsatz. Wichtig ist, dass die jeweiligen Schnittstellen und das Beziehungsgeflecht auch wirklich gemanagt werden. Im Lead sollte hier der Verkäufer als Kundenmanager sein. Das CRM-System sollte als Kommunikationsplattform dienen.

Tipp: Das professionelle Management von Kunden- und Verkaufsteams ist umso wichtiger, je stärker sich das jeweilige Unternehmen vom transactional selling „nur der nächste Auftrag zählt“ hin zum kontinuierlichen Account Management entwickelt. Die Etablierung von Account Management führt dabei   mitunter zu erheblichem innerorganisatorischen Anpassungsbedarf. Die Aufgabe der Verkaufsunterstützung muss sich zunächst im Rollenprofil der Beteiligten wiederspiegeln. Die Beteiligten müssen sich ihrer erfolgskritischen Rolle im Verkaufsprozess bewusstwerden. Nicht zuletzt muss oftmals die Verkaufsmentalität „bin kein Verkäufer“ nachjustiert werden. Der Teufel steckt hier häufig im Detail. Bei einer Mitreise beobachteten wir kürzlich einen Anwendungstechniker bei einer Kundenproduktpräsentation. In guter Absicht präsentierte er im Detail alle technischen Details eines Mikroskops für den Bereich Materialwirtschaft – ohne auch nur mit einem Wort auf die Kundenanforderungen Bezug zu nehmen oder sich auf den kundenspezifischen Added Value zu konzentrieren. Gut gemeint ist eben nicht gut gemacht.

Im zweiten Teil gehen wir auf die Steuerung von Verkaufsprozessen ein und welche Rolle dafür Prozess-Instrumente, Checklisten und Templates und auch die Qualifizierung der Prozessbeteiligten spielen.