Frage 1: Was versteht man unter Predictive Analytics?
Bei Predictive Analytics geht es im Kern um Prognosen. Dabei werden Daten verwendet, um verschiedenste Dinge vorherzusagen.
Das besondere an Predictive Analytics ist, dass sie in aller Regel aus vorhanden Daten lernt. So werden historische Daten genutzt, um daraus Aussagen für die Zukunft zu treffen. Predictive-Analytics-Lösungen lernen also aus vorhanden Informationen: Daten wie sie überall und in großen Mengen vorliegen. Diese Daten nutzbar zu machen und daraus hilfreiche Schlüsse zu ziehen, ist die Aufgabe von Predictive Analytics.
Heute bedient man sich dazu zunehmend Verfahren der Künstlichen Intelligenz, kurz KI, da sich damit schneller und effektiver bessere Ergebnisse erzielen lassen. Da hat sich viel verändert in den letzten Jahren.
Frage 2: Wie kann der Vertrieb von Predictive Analytics profitieren?
Predictive Analytics-Systeme sind heute in der Lage, aus allen vorhandenen Transaktions-, Kunden- und externen Daten, teilweise auch aus Social-Media-Daten, wesentliche, für das Unternehmen nutzbringende Prognosen und Hilfestellungen zu geben. Insbesondere zur Optimierung des Vertriebs bietet Predictive Analytics eine Vielzahl von Möglichkeiten. Intelligente, auf KI-basierende Systeme lernen beispielsweise, welche neuen Kunden am einfachsten akquiriert und für welche Produktgruppe gewonnen werden können. Sie zeigen auf, welche Kunden in einer Berichtsperiode welchen Umsatz erlösen werden. Darüber hinaus sind sie in der Lage genau vorherzusagen, welcher Kunde aus einem Sortiment von mehreren Tausend Produkten welches Produkt kaufen wird. Und last but not least sind sie in der Lage, die bestehenden Cross- und Up-Selling-Potenziale im Bestand aufzuzeigen.
Nur wenn ich weiß, was meine Kunden kaufen werden, welcher Kunde wieviel kaufen wird bzw. sogar vorhersagen kann, wieviel Umsatz der einzelne Kunde bei meinem Wettbewerb erzielen wird, kann ich meine wertvollen, teuren Vertriebsressourcen zielgerichtet einsetzen. Predictive Analytics kann dem Vertrieb helfen seine Ressourcen optimal einzusetzen.
Ähnlich wie ein Navigationssystem zeigen wir dem Vertrieb einen sehr effektiven Weg zur Erreichung der Umsatzziele. Nicht selten hat ein Verkäufer mehr als 1000 Adressen bzw. Kunden zu betreuen. Dass man nicht alle Kunden gleich behandeln kann, versteht sich da von selbst. Die KI kann da ein wesentlicher Hebel sein, sich auf die Kunden mit dem höchsten Potenzial zu fokussieren. Das müssen nicht die Kunden sein, die in der Vergangenheit die besten Umsätze hatten.
Frage 3: Worauf basieren die Prognoseverfahren?
Es gibt zwei Komponenten, die man betrachten muss: Zum einen Daten und zum anderen Methoden. Als Daten dienen unter anderem Auftragspositionen, Stammdaten der Kunden, Informationen, die der Außendienst zur Verfügung stellt. Also Daten, die in jedem Unternehmen verfügbar sind. Darüber hinaus werden teilweise externe Daten herangezogen. So z.B. Branche, Mitarbeitergröße, Außenumsatz oder eben Daten, die im Web über Unternehmen existieren. Hierzu wird beispielsweise die Webseite von Kunden ausgelesen oder auch Ausstellerverzeichnisse von Messen. Je nach Aufgabenstellung werden verschiedene Daten verwendet. Möchte ich das Absatzpotenzial meiner Kunden bestimmen, so verwendet man hierzu insbesondere externe Daten. Eine Absatzprognose dagegen basiert im Wesentlichen auf historische Transaktionen. Cross-Selling-Indikationen erhalte ich aus der Kombination von internen und externen Daten. Und im Bereich des Next Best Product verwenden wir die granularen Käufe der Vergangenheit.
Schlagworte bei den Methoden sind z.B. Neuronale Netze und Reinforcement Learning, aber auch Text-Klassifizierungsalgorithmen, die von uns eingesetzt werden. Gemeinsam ist diesen Verfahren, dass sie eine hohe Präzision erzielen, die aus den vielen Daten resultiert, die diese Systeme verarbeiten können. Nicht selten füttern wir unsere Algorithmen mit mehreren Millionen Kaufbeobachtungen. Und genau hier ist die KI herkömmlichen Methoden überlegen. Sie ist in der Lage in wenigen Stunden die Essenz aus Milliarden Datensätzen zu ziehen. Die Systeme schauen sich Ausgangsrechnungen der letzten 10 Jahre in wenigen Minuten an und lesen parallel dazu die Webseite von bestehenden Kunden aus. Das ist tatsächlich schon gelebte und etablierte Praxis.
Hier ist die Künstliche Intelligenz der humanen Intelligenz überlegen. Unsere Erfahrung basiert eben nur auf maximal 1.000 Kunden. Der Mensch lernt die Essenz herauszufiltern und baut so seine Erfahrung auf. Er lernt aus Erfahrung und versucht Positives zu multiplizieren. Die KI kann hingegen eine Vielzahl von Kunden beobachten und schaut sich Millionen Zusammenhänge an. Sie objektiviert Erfahrung und findet Regeln, die uns verborgen blieb. Während wir Menschen einzelne Situationen besser einschätzen können als Maschinen, kann die KI eben mehrere 100.000 Situationen parallel gut einschätzen.
Frage 4: Der Vertrieb muss sich also auf die KI verlassen – die Maschine gibt ihm vor, welche Potenziale sich bei welchen Kunden und Noch-Nicht-Kunden verbergen. Hier lassen sich aber erfahrungsgemäß gewaltige Widerstände vermuten. Wie sind hier deine Erfahrungen und wie lässt sich damit umgehen?
Der Vertrieb verlässt sich heute auch schon auf KI. Sein Telefon sagt ihm die Fahrzeit voraus und gegebenenfalls fordert die KI ihn auf früher loszufahren, wohlwissend wieviel Stau auf der Strecke zu erwarten ist. Es berechnet, ob ein Umweg ihn ggf. schneller zu Ziel bringt.
Aber Du hast recht: Die Einführung von Predictive Analytics im Vertrieb ist nicht trivial. Wir entdecken immer wieder drei verschiedene Verkäufergruppen bzw. Personentypen. Die Innovatoren, die Ablehner und die zögerliche Mitte. Die Innovatoren sind offen für die neue Lösung. Sie freuen sich, den Hinweisen nachzugehen und sehen sofort den Benefit. Sie sind sehr häufig diejenigen, die sich freiwillig für die Pilotierung anbieten. Entscheidend ist nun, mit Hilfe dieser Innovatoren Erfolge zu produzieren und diese zu kommunizieren. Anders die Ablehner: diese Gruppe bekommt man nur nach und nach gedreht. Das Entscheidende ist, die Erfolge immer transparent zu machen, sprich: wie konnte der Verkaufserfolg durch eine KI-Anwendung gesteigert werden.
Aber eines ist klar: aus Prognosen mehr Umsatz oder Gewinn zu machen ist mindestens genauso anspruchsvoll, wie die Erstellung der Prognosen selbst. Ich denke, dass ist auch der Grund, warum die Zusammenarbeit mit euch für unser Team so interessant ist. Ihr müsst mit dem Mercuri-Team den Vertrieb überzeugen und trainieren. Klappt diese Zusammenarbeit, ist Wachstum keine Illusion
Frage 5: Welche Erfolgsbeispiele aus der jüngsten Vergangenheit gibt es?
Wie du weißt, sind wir in ganz verschiedenen Branchen tätig: von der Automobilindustrie, der Logistik, der Chemie, dem Handel bis zum Maschinenbau. Was mich immer wieder erstaunt ist, dass wir überall in der Lage sind, mit wenigen Impulsen aus den Prognosen heraus mehr Umsatz zu generieren. Mit anderen Worten: Unsere Mandanten können den Umsatz steigern, ohne zusätzliche Ressourcen einzusetzen. Wir verwenden also Daten, die ohnehin verfügbar sind, veredeln diese durch Prognosen und generieren damit zusätzlichen Ertrag. Erst neulich konnten wir nur durch die Übermittlung von Potenzialinformationen und Empfehlungen an den Vertrieb den Umsatz unseres Kunden nachweislich um 10 Prozent steigern. Wie gesagt: ohne dass dieser seine Vertriebsmannschaft vergrößert hat oder zusätzliche Marketing- oder Vertriebskosten entstanden sind. Aber es gibt zahlreiche weitere Beispiele von Kunden, die sich in der Optimierung ihres Vertriebs auf unsere Prognosen und Empfehlungen verlassen. Wie ihr so schön sagt: man muss es nur TUN.
Das Interview führte Dr. Matthias Huckemann. Managing Partner Mercuri International