Implementierung einer Preisstrategie – Die Umsetzungslücke (Teil 4/5)

Der Schwierigkeitsgrad bei der Umsetzung von Preisstrategien verschärft sich international noch einmal beträchtlich. Neben den in den vorherigen Artikeln angesprochenen Phänomenen wie z. B. der „Angst des Verkäufers vor dem Preis“ oder dem „Stockholmsyndrom“ tauchen noch zwei weitere Hürden auf und vergrößern die bereits in der nationalen Betrachtung erfolgskritische Umsetzungslücke. Auf diese beiden werden wir nachfolgend intensiver eingehen.

Die Liebe zu zentralen Vorgaben und das Mandat der Länderchefs

Bei internationalen Preisinitiativen kann es nicht darum gehen, ausschließlich auf freiwilliger Basis Preise und Konditionen zwischen Ländern zu harmonisieren. Vielmehr ist es nötig, teilweise massiv in die Hoheit bzw. Autonomie des Ländermanagements einzugreifen. Das stößt, aus Sicht der Länder teilweise nachvollziehbar, nicht immer auf Zustimmung, insbesondere dann nicht, wenn Vertriebseinheiten bisher autark agiert und die eigene Entscheidungsbefugnis und Verantwortung schätzen gelernt haben. Der Unmut des betroffenen Ländermanagements klingt dann berechtigterweise so: „Wir sind für die Ergebnisse unseres Landes verantwortlich, die Zentrale will uns aber Transferpreise und Verkaufspreise vorgeben!“ Zentrale Eingriffe, um Preise und Konditionen zu harmonisieren, werden nicht selten als persönlicher Machtverlust wahrgenommen. Das Handelsblatt titelte dazu bereits 1994: „Chefs von Auslandstöchtern verlieren an Macht“.

Entscheidungsbefugnisse zumindest teilweise zu verlagern, ist aber spätestens dann unumgänglich, wenn Märkte nicht mehr isoliert betrachtet werden können. Das kann aus übergeordneter Sicht durchaus Kompromisse etwa in Billigländern erfordern, aus denen – nach Festlegung der Preiskorridore – Produkte herausgenommen, Preise stärker als marktüblich angepasst oder bestimmte Kunden nicht mehr beliefert werden. Hierbei gilt es, eine gesunde Balance zwischen der Profitabilität und Mengenzielen respektive der Produktionsauslastung zu finden. Ohne eine solche Harmonisierung jedoch würde das durchschnittliche Preisniveau deutlich nach unten gezogen. Inwieweit solche zentralen Ideen und Vorgaben in den Ländern letztlich eins zu eins durchsetzbar sind, hängt auch davon ab, wie die lokalen Vertriebseinheiten mitgenommen, überzeugt, motiviert und gesteuert werden (können). Das wiederum hängt auch von dem vor Ort gewählten Vertriebskanal ab. Findet beispielsweise ein direkter Export an ausländische Kunden statt, sind vor allem Motivation und Verhandlungsstärke des eigenen Vertriebs vor Ort entscheidend. Der eigene, für den Export verantwortliche Vertrieb wiederum lässt sich mit Steuerungswerkzeugen lenken und ist letztlich weisungsgebunden (Grams 2011). Sobald jedoch unabhängige Händler eingeschaltet werden, um deren Marktnähe und -kenntnis zu nutzen und das eigene Risiko sowie die Fixkosten zu minimieren, verschärft sich die Ausgangssituation nochmals. In diesem Fall hat die Zentrale oft nur noch einen geringen Einfluss auf die im Markt erzielten Preise, die Weisungsbefugnis fehlt bei derartigen indirekten Vertriebskanälen. Je wichtiger der Lieferant für den Händler und dessen Geschäft ist, umso größer wird aber naturgemäß das Interesse an einer Kooperation sein. Umgekehrt sinkt die Bereitschaft, wenn der Lieferant innerhalb des gesamten Geschäftsportfolios eher unbedeutend ist (Schedl et al. 2012).

Neben dem Verkauf über den direkten Export und über Händler gibt es als dritten möglichen Vertriebskanal eigene Tochter- oder Beteiligungsgesellschaften. Bei dieser Vertriebsform wird der komplette Ertrag im Unternehmen generiert, andererseits liegt auch das gesamte finanzielle Risiko in einer Hand. Das Headquarter hat grundsätzlich – abhängig von der Gesellschaftsform der Auslandstochter – erst einmal ein Mandat bzw. ein Mitspracherecht für die eigenen Vertriebsaktivitäten und damit Einfluss auf die Preisfindung in den Ländern. Dennoch besteht eine hohe Abhängigkeit bzw. ein hoher Abstimmungsbedarf mit den Tochter- oder Beteiligungsgesellschaften, da umfassende Markt- und Landeskenntnisse über die Auslandsmärkte zumeist nicht vorhanden sind und die Interessen von Zentrale und Niederlassungen nur teilweise übereinstimmen. Das zeigt die Abbildung unten, die sich mit einigen klassischen Zielkonflikten auseinandersetzt:

Die Folge solcher Konflikte sind oft Versteckspiele und unzureichender Informationsfluss, so dass Informationen stark politisch geprägt oder der Kunst der Diplomatie nachempfunden sind (Belz und Reinhold 2012).

„Ein Diplomat ist ein Mensch, der zweimal denkt, bevor er nichts sagt.“

Sir Edward George Heath, ehemaliger englischer Premierminister, 1916 – 2005

In Summe wird nur kommuniziert, „was die Zentrale hören soll oder will“. Hier kommt hinzu, was auch aus nationaler Sicht bzw. der Sicht des Vertriebsmitarbeiters immer wieder auftaucht: die Angst vor Transparenz und Vergleichbarkeit. Das „gläserne“ Tochterunternehmen, welches mit den Ergebnissen anderer Länder verglichen werden kann, wird genauso gefürchtet wie der „gläserne“ Außendienstmitarbeiter, der sich dem Benchmark mit seinen Kollegen stellen soll. Deshalb wird selten mit offenem Visier kommuniziert, die Länderorganisation stellt sich nur höchst ungern der Vergleichbarkeit und lässt somit keine Transparenz zu.

Konsequenz für die Umsetzung: Internationale Preisinitiativen bergen ein hohes Konfliktpersonal, da sie, als zentrale Vorgaben formuliert, schnell auf den Unmut der lokalen Vertriebseinheiten und Länderchefs treffen können. Diese müssen dazu motiviert werden, aktiv mitzuwirken. Dazu sollte ihnen unbedingt und zuallererst aus ihrer lokalen Perspektive der Nutzen der Maßnahmen aufgezeigt werden. Die Möglichkeit, sie zentral und strategiekonform zu steuern, ist abhängig von der gewählten Vertriebsform zumindest eingeschränkt. Je stärker die jeweilige Initiative in die Länderhoheit eingreift, umso größer sind die zu vermutenden Widerstände. Die jeweiligen Länderchefs müssen von der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Initiativen überzeugt werden, denn ohne ihr Mandat ist die Umsetzung im Land nicht möglich. Dabei ist sicherlich entscheidend, welche Freiräume das lokale Management und die Händler vom Headquarter erhalten. Parallel müssen bei der Umsetzung die länderindividuellen Besonderheiten und Konstellationen ausreichend berücksichtigt werden. Unterscheiden sich Niederlassungen z. B. in ihrer Mannschaftsstärke, Organisation oder Marktbearbeitung – um nur einige Parameter zu nennen – stark voneinander, führt ein flächendeckend identisch ausgelegter Transfer der Zentrale kaum zum Ziel. Es gelingt dann nur selten, die spezifischen Potenziale der Länder zu nutzen. Deshalb gilt es, Länder für die Umsetzung zu segmentieren und spezifische Konzepte für Regionen oder Ländergruppen zu entwickeln. In diesem Kontext sollten folgende Fragen beantworten werden:

  • Wie kann der Vertriebspartner von der Initiative profitieren? Handelt es sich nur um eine Empfehlung oder um eine konkrete Anweisung mit der Vorgabe, die im Rahmen einer Analyse gewonnenen Erkenntnisse auch zwingend umzusetzen?
  • Welche Abhängigkeiten bestehen zwischen (den) Ländern?
  • Welche Länder haben vergleichbare Voraussetzungen (Sprache, Kultur, Werte, Vertriebsformen, Wettbewerb)?
  • Werden Standards für die Umsetzung vorgegeben und in welchem Umfang erfolgt dies?
  • Wie wird die Umsetzung überprüft und wie wird berichtet?
  • Was passiert, wenn in den Ländern nicht umgesetzt wird? Welches Mandat bzw. Durchgriffsrecht existiert?