Implementierung einer Preisstrategie – Die Umsetzungslücke (Teil 2/5)

Die Bedenken und Ängste der Verkäufer

Viele Menschen ängstigen sich davor, mit anderen Personen verglichen zu werden. Insbesondere Verkäufer haben es nicht gerne, wenn ihre Umsätze oder Ergebnisse mit denen der Kollegen abgeglichen und dann in Analysen oder eventuell sogar in Präsentationen transparent gemacht werden. Dieses Phänomen erklärt auch teilweise die vorab dargestellte Abneigung gegen Analysen. „Die Verkaufsgebiete sind nicht vergleichbar“, „mein Bezirk gibt weniger her, ich habe ein geringes Umsatzpotenzial“, „in meinem Verkaufsbezirk haben wir es schon immer schwerer gehabt“, sind gängige verbale Ausweichmanöver; die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Die Gründe sind schnell gefunden: Der Verkäufer hat Angst, dass seine Leistung mit den Kollegen verglichen wird und Defizite sichtbar werden. Die vom Management gewünschte Transparenz in der Vertriebsarbeit wird durch diese ablehnende Haltung der Vertriebsmitarbeiter erschwert und behindert. Das nachfolgende Zitat beschreibt diese Konstellation aus Sicht des Verkäufers:

Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.

Søren Aabye Kierkegaard, dänischer Philosoph, Essayist, Theologe und religiöser Schriftsteller, 1813–1855

Konsequenz für die Umsetzung

Gehen Sie mit diesem Thema offen um. Nehmen Sie dem „Einzelkämpfer“ Verkäufer die Angst vor Transparenz und Vergleichbarkeit. Benchmarks sollen nicht „Schwache“ an den Rand stellen, sondern Erfolge übertragbar machen. Im modernen Fußball beispielsweise ist es gang und gäbe, Laufstrecken, Passquoten, Zweikampfverhalten usw. detailliert zu analysieren. Dadurch soll die Mannschaft noch besser und noch erfolgreicher werden. „Von den Besten lernen“ ist mittlerweile nicht nur ein gängiges Erfolgsmodell im Spitzensport, diese Maxime sollte auch für Benchmark-Analysen im Vertrieb zum Standard werden.

Die Angst des Verkäufers vor dem Preis

Warum haben Menschen Angst, schlechte Botschaften zu überbringen? Angst kann eine Reihe von Ursachen haben. Manche sind unnötig, einige kaum zu verhindern und manche sogar positiv. Überforderung, Unsicherheit, Inkompetenz: Ein Mitarbeiter hat beispielsweise nicht das Wissen, die Voraussetzungen oder die Übung, eine Aufgabe zu erledigen.

Es gibt keine Grenzen. Weder für Gedanken noch für Gefühle. Es ist die Angst, die immer Grenzen setzt.

Ingrid Bergmann, schwedische Schauspielerin, 1915–1982

Preise und Konditionen gehören sicherlich zu diesen (vermeintlich) unangenehmen Nachrichten, zumindest ist dies ein gängiges Klischee bei Vertriebsmitarbeitern. Den Kunden erfolgreich höhere Preise zu erklären oder das Prinzip Leistung (z. B. Rabatte und Boni) für Gegenleistungen (z. B. bestimmte Abnahmemengen, Vertragsbindung) konsequent einzufordern, sind verkäuferische Leistungen, die neben fachlicher Qualifikation auch Selbstbewusstsein voraussetzen. Tatsächlich wird aber jede Art von Preisgesprächen eher als belastend, blockierend und beängstigend empfunden (Müllerschön 2007).

Abb. 1: „Unangenehme“ Botschaften bei der Umsetzung von Preisstrategien

Denn viele Verkäufer vermuten sich beim Kunden per se in der Rolle des Schwächeren, die Macht liegt aus ihrer Sicht ausschließlich oder überwiegend beim Gesprächspartner (Bartnitzki 2010). Natürlich wissen z. B. Einkäufer um diese Wahrnehmung des Verkäufers, spielen ihre Position knallhart aus und drohen unverblümt mit Lieferantenwechsel. „Was passiert, wenn ich die höheren Preise anspreche? Verliere ich dann den Kunden und damit gleichzeitig einen Teil meines Gehaltes?“ geistert durch den Kopf des Verkäufers. Als Erstes verliert der Mitarbeiter aber in vielen Fällen das wichtige Wort „Wir“ im Kundengespräch. Die angstgetriebene Argumentation wird nicht lauten „Wir erhöhen die Preise“, sondern „Die Firma will …, „Mein Chef verlangt …“ An dieser Stelle distanziert sich der Verkäufer aus Angst und Unsicherheit von seinem Arbeitgeber sowie seiner eigentlichen Aufgabe und solidarisiert sich mit dem Kunden.

Abb. 2: Was der Vertrieb denkt

Angst unterliegt vielen individuellen Einflüssen. Diese wiederum entscheiden letztendlich, ob ein Mensch eher selbstbewusst und gelassen oder ängstlich agiert. Wir gehen hier kurz auf drei Ursachen ein, die den Vertrieb bei Preisgesprächen nachhaltig beeinflussen:

  • Angst durch mangelndes Selbstvertrauen,
  • Angst durch negatives Denken,
  • Angst durch vermeintliche Konflikte.

Angst durch mangelndes Selbstvertrauen

Verkäufer, die ein schwach ausgeprägtes Selbstvertrauen besitzen, reagieren in Kunden-Situationen eher passiv und ängstlich. Obwohl sie objektiv die nötigen Fähigkeiten besitzen oder sich diese aneignen könnten, werden sie mit Herausforderungen, die bei Preisgesprächen auftreten können, nicht aus eigener Kraft fertig. Sie glauben nicht an ihre Fähigkeiten, haben kein Zutrauen zu sich selbst und versuchen, das erforderliche Preisgespräch möglichst zu vermeiden oder zumindest lange aufzuschieben. Natürlich wird der Verkäufer dies nicht zugeben, da dies nicht konform mit seinem Selbstbild ist.. Er selber hält sich für stark und die Preisstrategie für falsch und nicht umsetzbar, d. h., er projiziert die eigene Schwäche auf die vermeintliche Fehlerhaftigkeit seines Managements. Im April 2011 führte das ZEITmagazin (Emcke und Müller-Wirth 2011) mit einigen Spielern des jüngsten deutschen Meisters aller Zeiten Borussia Dortmund ein Interview. Auch das Thema Selbstvertrauen wurde angesprochen. Der Verteidiger Marcel Schmelzer dazu: „Neben Technik und Taktik ist Selbstvertrauen wichtig. Auch Selbstvertrauen lässt sich lernen. Man wiederholt die Dinge, bis man sie gut kann, irgendwann verinnerlicht man sie. Dann gehst Du in den Zweikampf und weißt, Du gewinnst ihn. Das spürt jedenfalls der Gegner, durch Körpersprache und die Art, wie Du in Zweikämpfe gehst!“

Angst durch negatives Denken

Ein alter Spruch von Motivationsgurus erklärt die zweite Ursache für Angst: „Ein Glas, das zur Hälfte mit Wasser gefüllt ist, ermöglicht grundsätzlich zwei Denkweisen. Der eine meint, dieses Glas ist halb voll, der andere, das Glas ist halb leer.“ Negative Erwartungen erfüllen sich fast unwillkürlich als selbsterfüllende Prophezeiung. Negative Gedanken werden so übermächtig, dass sie den Verstand ausschalten. Auch eine Situation, die nicht verstanden wird, kann Angst erzeugen. Wer nicht daran glaubt, seine Preise und Konditionen durchsetzen zu können, dem wird es nicht gelingen.

Der Pessimist findet zu jeder Lösung ein passendes Problem.

Werner Fink, deutscher Kabarettist Schauspieler und Schriftsteller, 1902–1978

Angst durch vermeintliche Konflikte

Verdrängt ein Verkäufer seine Angst und löst er diesen vermeintlichen Konflikt einer veränderten Preisstrategie nicht möglichst zügig, so bleibt die bedrohliche Situation erhalten. Werden die Ursachen verdrängt, erscheinen solche Stress-Situationen besonders aussichtslos. Der Verkäufer vermutet, seiner Angst hilflos und unreflektiert ausgeliefert zu sein. Die Praxis zeigt, dass bisher überraschend wenige Außendienstler die gelebte Erfahrung besitzen, Preise zu erhöhen oder Konditionen konsequent umzusetzen.

Konsequenz für die Umsetzung

Wenn unangenehmen Situationen aus Angst ausgewichen wird, müssen die Mitarbeiter angeleitet und unterstützt werden. Zeigt man ihnen überschaubare Wege und Meilensteine, werden sie Sicherheit gewinnen. Lernen und trainieren sie, dass Verhandlungen auch Spaß machen und erfolgreich bewältigt werden können, weicht die Angst dem Selbstbewusstsein. Erkennt ein Mitarbeiter die Chance und treten gleichzeitig die Risiken in den Hintergrund, dann können Preiserhöhungen eine positive Eigendynamik bekommen. Dann sucht man plötzlich eine Lösung für ein Problem und sieht nicht mehr umgekehrt in jeder Lösung ein (neues) Problem. Ein „Ja“ im Kundengespräch bedeutet Umsatz, ein „Nein“ Gewinn!

Warum also lassen wir den Vertrieb alleine, wenn er sich auf schwierige Verhandlungen vorbereitet? Warum trainieren wir ihn nicht regelmäßig? Warum geben wir ihm nicht die Sicherheit, die er benötigt, um die strategischen Vorgaben umzusetzen und die vermeintliche Rolle des Schwächeren zu verlassen? Fußballnationalspieler Mats Hummels erklärte dazu in dem bereits erwähnten Interview des ZEITmagazins: „Zwischen Anweisung und Umsetzung vergehen viele Wochen. Auch wenn Du die Aussage verstehst, Du musst es Dir bewusstmachen, vor jedem Spiel, du musst es Dir vornehmen, immer wieder bis es irgendwann unbewusst und automatisch wird. Das geht nicht in ein paar Tagen oder in einem Spiel, sondern es ist wirklich ein längerer Prozess!“ (Emcke und Müller-Wirth 2011) Unsere Vertriebsmitarbeiter sollen aber alles ohne Training, ohne einen sauberen Prozess, konsequent, routiniert und erfolgreich umsetzen? Wie soll das funktionieren? Wie soll die Angst dem erforderlichen Selbstbewusstsein und der erforderlichen Expertise weichen? Wir werden diese Frage im weiteren Verlauf beantworten (vgl. Teil 4).

Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer!

Lucius Annaeus Seneca, römischer Philosoph, Dramatiker, Staatsmann ca. 1¬65 n. Chr.