Mercuri Artikel – Höhere Preise in 2023 erfolgreich umsetzen

Marktverhältnisse haben sich radikal verändert:

Im Jahr 2023 höhere Preise (erneut!) erfolgreich durchzusetzen, ist leichter gesagt als getan. Zunächst scheint es nach ein wenig Entspannung auszusehen. Erstmals seit Monaten ist die deutsche Inflationsrate im November wieder moderat zurückgegangen. Doch es besteht kein Anlass, aufzuatmen. Denn in der Weltwirtschaft finden derzeit auf mehreren Ebenen radikale Kehrtwenden statt. So strukturieren Unternehmen ihre Lieferketten um und holen wichtige Produktionsprozesse zurück in die eigene Region. Weiterhin wird mehr auf Vorrat produziert (Carsten Brzeski, Chefvolkswirt ING Bank). Das wiederum erhöht die Kosten und wirkt damit preistreibend. Gleiches gilt für die grüne Energiewende, die nicht zum Nulltarif zu bekommen ist und die Unternehmen weiter belasten wird.

Lieferengpässe, Abriss von Lieferketten, exorbitant gestiegene Logistik-, Fracht- und Produktions- und Beschaffungskosten etwa für Rohstoffe und Vor-Produkte, höhere Personalkosten und die damit verbundene Inflation beschäftigen die Unternehmen seit Beginn des Jahres 2022 und damit schon länger. Viele Unternehmen sehen nur einen Ausweg aus dem Dilemma: Preiserhöhungen bei den eigenen Kunden durchzusetzen. Das ist im Jahr 2022– auch unterjährig – folgerichtig erfolgt. Dabei war zu beobachten, dass sich die Machtverhältnisse und die Geschäftsgrundlagen vom Kunden stärker zum Lieferanten verlagert haben. Einkäufer waren vielfach froh, wenn die eigene Produktion weiterlaufen konnte, egal zu welchem Preis. Diese Entwicklung ermöglichte es für die Lieferanten auch, Preisgleitklausel in den jeweiligen Vertrag zu integrieren, um die Preissteigerungen der eigenen Lieferanten, besonders bei langen Laufzeiten, an die Kunden weitergeben zu können. Kunden appellieren deshalb immer häufiger an die Partnerschaft der Lieferanten und drohen mittelfristig neue Lösungen zu suchen, um die aktuellen Abhängigkeiten zu reduzieren.

Herausforderungen:

Der Käufer- hat sich also inzwischen vielfach zum Verkäufermarkt gewandelt. Das erleichtert aber für den Verkäufer keineswegs die Verhandlungen mit den Kunden, die oft aus der gewohnten Routine heraus weiterhin mit sehr harten Bandagen argumentieren. Viele Einkäufer fühlen sich aufgrund über Jahre gelernter Muster weiterhin in der Rolle des Stärkeren, auch wenn sich die Situation deutlich verändert hat. Die nicht vorhandene Versorgungssicherheit verschärft den Ton auf Kundenseite. Unterschiedliche, negative Botschaften müssen nun kommuniziert werden: „Ich habe keine Ware, ich habe nicht genügend Ware für Sie, Sie sind bei uns weder Bestands- noch Vertragskunden, wir können Sie deshalb nicht beliefern und können auch nicht sagen, wann wir liefern können!“

Vor diesem Hintergrund werden für das neue Jahr 2023 nun weitere Verhandlungsrunden zwischen den Vertragsparteien erforderlich. Folgende Hürden gilt es dabei für den Vertrieb zu bewältigen:

  • Wie lassen die neuen Anpassungen der Einkaufspreise formulieren und argumentieren? Viele Kunden stehen ihrerseits bei weiteren Preisanpassungen mit dem Rücken an der Wand und werden.
  • Mit welcher Position soll man in die Verhandlung gehen, wie werden zukünftige Entwicklungen bei den Preislisten berücksichtigt?
  • Wie werden Kunden auf die neuen Anpassungen reagieren?
  • Wie kommuniziert man die (abermalige) Erhöhung, allgemein oder detailliert mit Fakten und Rohstoff- und Kosten-Indizes, wobei das Kalkulieren von Entwicklungen auf Basis verschiedener Indizes in früheren Verhandlungen immer eher die Domäne des Einkaufs war?
  • Wie werden Prioritäten bei der Verteilung von knappen Gütern vorgenommen und argumentiert? Wie werden Versorgungssicherheit und Ausfallrisiken gemanagt? 
  • Kann man es nur der Intuition und der Erfahrung des Vertriebs überlassen, individuelle Lösungen und Antworten zu finden, oder sind abgestimmte Konzepte gefragt, die einen möglichst einheitlichen Auftritt im Markt von Garmisch bis Flensburg bei Kunden garantieren?

Lösungen:

Um die Preisinitiative, aber auch die Situation der unsicheren Lieferungen, erfolgreich bewältigen zu können, muss der Vertrieb Sicherheit und Routine durch klare Regeln und eine abgestimmte Kommunikation (Story) vermittelt bekommen. Das führt zu

  • mehr Sicherheit für die Vertriebsmannschaft,
  • einheitlicher Argumentation bei den Kunden,
  • verhindern von Intransparenz und erhöhter Wahrscheinlichkeit, dass Kunden die erneute Preiserhöhung und Lieferengpässe besser nachvollziehen können und akzeptieren.

Um das zu erreichen, sollten die Verkäufer mit Hilfe folgender 7 Schritte professionell auf die Preisanpassung vorbereitet werden:

Besonders wichtig sind dabei

  • die Simulation der grundsätzlich möglichen Erhöhungen und Varianten für das gesamte Portfolio und für ausgewählte Produkte,
  • die Berücksichtigung möglicher Kosten eines Lieferantenwechsels (Abstimmungsaufwand von Arbeitsprozessen, IT-Integration),
  • das Antizipieren und die Vorhersage des Verhaltens des/der Verhandlungspartner (bezogen auf das definierte Szenario) und die Einschätzung unterschiedlicher Verhandlungstypen innerhalb des Buying Centers, sowie die jeweiligen Machtverhältnisse auf Kundenseite,
  • das Festlegen der Vorgehensweise/Rückzugsziele in der Verhandlung:  Fixe und variable Elemente der Verhandlungspartner mit jeweils Wert und Kosten. Höhe der 1. Preisnennung, das finale ZOPA (Bereich, in dem die Verhandlungspartner die Chance auf eine mögliche Einigung haben – die sogenannte „Zone of possible agreement). und BATNA (beste Alternative, wenn du mit deinem Verhandlungspartner zu keiner Einigung kommst),
  • das Festlegen der fixen und variablen Komponenten der Verhandlung und monetärer Konsequenzen einzelner Szenarien für beide Verhandlungspartner,
  • die Kommunikation der erneuten Preisanpassung (allgemein: Preise sind in den letzten Monaten weiter um x% gestiegen oder detailliert mit Indizes in einzelnen Kostenarten (Energie, Rohmaterial a,b,c; Logistik etc.). Nutzen -und Mehrwert-Argumentation, mögliche Einwände und entsprechende Antworten angelehnt an die jeweiligen Verhandlungstypen.
  • die Ankündigung der Verhandlung (persönlich, schriftliche Agenda etc.),
  • die Festlegung verhandlungstaktischer Elemente und der Umgang mit Einkäufer-Verhandlungsmethoden. Entwicklung von Ideen, um Preiserhöhungen aus Kundensicht an die eigenen Kunden weiterzugeben.


Fazit:

Die Erfahrung aus der Praxis im Jahr 2022 lehrt, dass die Vertriebsmannschaft auf die Herausforderungen präzise vorbereitet und fit gemacht werden muss, damit sie kompetent, motiviert und selbstbewusst in die Umsetzung gehen kann. Die Umsetzung der Preisanpassungen sowie das Managen der knappen Ware sollte nicht der Individualität, vermeintlichen Erfahrung oder Intuition der Vertriebsmannschaft überlassen. Vielmehr gilt es, klare Standards, Abläufe und einheitliche Argumentationsleitfäden entwickeln. Sonst wird es teuer, Kundenbeziehungen leiden und Verhandlungspotentiale werden liegen gelassen. Hier kann man von Chesley B. Sullenberger lernen. Der erfahrene Pilot hat 155 Passagieren und Besatzungsmitgliedern das Leben gerettet, indem er einen Airbus A 320 am 15. Januar 2009 auf dem Hudson River erfolgreich notwasserte, nachdem unmittelbar nach dem Start die Triebwerke ausfielen. Auf diese außergewöhnliche Leistung angesprochen, verwies er neben seiner Routine vor allen Dingen auf die regelmäßigen Trainings, bei denen im Flugsimulator Landungen auf dem Wasser trainiert wurden.

„Denn die Investition in Wissen und Lernen zahlt die besten Zinsen!“

Benjamin Franklin 1706-1790)

Angaben zum Autor:

Dr. Matthias Huckemann ist Geschäftsführer von Mercuri International, einem auf Vertrieb spezialisierten, internationalen Beratungs- und Trainingsunternehmens. Er ist Autor zahlreicher Fachbücher und -Artikel u.a. Umsetzungsmanagement von Preisstrategien. Wie Sie Ihre Preise erfolgreich und nachhaltig zum Laufen bringen. 2021 erschien sein neues Buch: Synchronisieren ist das Neue Selling.

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