Experteninterview – Matthias Botta, DB Zeitarbeit GmbH

In unserer neuen Rubrik „10 Fragen an Vertriebsprofis“ sprechen wir mit Vertriebs-Führungskräften unterschiedlicher Branchen und Unternehmensgrößen. Gemeinsam greifen wir aktuelle Zukunftstrends im Vertrieb auf, leuchten aber auch ein bisschen hinter die Kulissen unserer Interviewpartner und der Unternehmen.

Die DB Zeitarbeit ist eine 100%ige Tochter der Deutschen Bahn AG. Als Partner für individuelle Personallösungen sorgt sie seit 2001 mit erfahrenen Personalmanagern und Top-Recruitern dafür, dass ihre Kunden die richtigen Mitarbeiter, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort bekommen. An insgesamt 15 Standorten bundesweit fokussiert sich DB Zeitarbeit auf die personellen Bedarfe von Unternehmen und den passgenauen Einsatz der eigenen Arbeitnehmer. Die Kernkompetenzen liegen sowohl in der Arbeitnehmerüberlassung als auch der individuellen Personalvermittlung.

Christian Peters: Herr Botta, als Geschäftsführer sind Sie u.a. für den Vertrieb der DB Zeitarbeit GmbH verantwortlich. Was zeichnet Ihre Position aus? Welche sind Ihre konkreten Tätigkeiten? Und welche vertriebliche Stationen haben Sie in Ihrer beruflichen Laufbahn bereits innegehabt?

Matthias Botta: Meine Position ist gekennzeichnet von einer stark operativen Arbeitsweise und einer ausgeprägten ‚Hands-on‘-Mentalität, in welcher die Bedürfnisse unserer Kunden, aber auch meiner VertriebskollegInnen im Mittelpunkt stehen. Wir sind ein 100%-iges Tochterunternehmen der DB AG und ich schätze die Gestaltungsmöglichkeiten in meiner Funktion und unserer Firma sehr. Da wir der interne Personaldienstleister der DB AG sind, vergleichbar mit einer Master-Funktion von Personaldienstleistern in anderen Großkonzernen, steuern wir rund 2.600 eigene Mitarbeiter sowie rund 2.900 Mitarbeiter von ca. 90 gelisteten Lieferanten. Da ist kein Tag wie der andere – das sage ich nach knapp neun Jahren in der Funktion und ich genieße es täglich. Ich führe unsere Geschäftsstellenleiter an 10 Standorten aus der Ferne, dies ist grundsätzlich anspruchsvoll. Die Basis dafür ist gegenseitiges Vertrauen und das Wissen, dass diese KollegInnen ihr Handwerk verstehen und täglich ihr Bestes geben. Darauf kann und muss ich mich verlassen.
Seit 23 Jahren bin ich im Dienstleistungsvertrieb tätig: acht Jahre in der Entsorgungs- und Kontraktlogistik bei der Rhenus AG sowie knapp neun Jahre in der Personaldienstleistung beim Marktführer Randstad Deutschland und jetzt seit 2009 bei der DB Zeitarbeit. In mehr als 2.500 Kundenbesuchen habe ich eines gelernt, gleich welcher Branche: es geht immer um den Menschen und ob ihnen der Kunde sein Vertrauen schenkt. Übrigens ein Umstand, den auch die Digitalisierung nicht ändert, aber dazu kommen wir ja noch…

CP: Als 100%ige Tochter der Deutschen Bahn AG ist der Bahn Konzern Ihr größter und wichtigster Kunde. Dennoch bieten Sie Ihre Dienstleistungen wie bspw. Arbeitnehmerüberlassung und Personalvermittlung auch allen anderen Unternehmen an. Welche Rolle spielt dabei der Vertrieb für Ihr Unternehmen DB Zeitarbeit GmbH?

MB: Unser größter Kunde ist auch unser Eigentümer: die Deutsche Bahn AG. Unser primäres unternehmerisches Ziel ist daher die Bereitstellung von qualifizierten und motivierten Arbeitskräften in den Unternehmensbereichen der DB AG. Die Performance und Wettbewerbsfähigkeit der DB AG und Ihrer Gesellschaften steht im Fokus unseres täglichen Handelns. Ich denke, Kunden der DB AG hätten wenig Verständnis für Qualitätsprobleme im Personen- oder Güterverkehr, wenn sie der Fokussierung auf Personalüberlassungen in Nicht-DB-Unternehmen zur Ursache hätten. Das wäre unternehmerisch unsinnig und politisch schwer erklärbar.
Ungeachtet dessen akquirieren wir gezielt Unternehmen im lokalen Markt der Geschäftsstellen, welche zu unserem Geschäft und den Qualifikationen unserer Mitarbeiter passen. Hierzu zählen Unternehmen der Bahnbranche, aber auch Maschinenbau- und Logistikunternehmen sowie Kunden im öffentlichen Bereich. Daher definieren wir Vertrieb als ‚Kundenbeziehungsmanagement‘, sowohl DB-intern als auch außerhalb der DB AG – meine KollegInnen vor Ort durchdringen den DB-Konzern in sämtlichen Facetten und akquirieren lokal interessante Kundenunternehmen die zu uns passen. Vertrieblich könnten meine KollegInnen also auch morgen völlig neue Marktsegmente erschließen, wenn wir dies wollten. Die Organisation ist entsprechend ausgestattet und die MitarbeiterInnen sind entsprechend geschult.

Es geht zunehmend um die Frage, wie gut wir den Kunden verstehen und seine Probleme lösen.

CP: Das Image des Vertriebs ist nicht in jedem Unternehmen gut. Wie wird der Vertrieb in Ihrem Unternehmen durch die anderen Unternehmensbereiche wahrgenommen?

MB: Aus meiner Sicht ist hier in den vergangenen Jahren sehr viel Positives passiert: sämtliche Unternehmensbereiche haben erkannt, dass sich unsere Leistungen nicht von allein verkaufen. Es geht zunehmend um die Frage, wie gut wir den Kunden verstehen und seine Probleme (Personalengpässe oder Projektstaffing) lösen. Da unsere Vertriebler vor Ort auch das Recruiting bewerkstelligen, kann man diesen Prozess auch als Vertrieb verstehen: wir ‚verkaufen‘ die DB Zeitarbeit als attraktiven Arbeitgeber im lokalen Arbeitsmarkt. Eine sehr anspruchsvolle Tätigkeit, die sehr viel Engagement verlangt. 
Wie renommierte Studien belegen, ist die Kernkompetenz der Zeitarbeitsbranche Sales und Recruiting. Diese Kompetenz spüren die Kunden unseres Unternehmens, daher haben wir kein Reputationsproblem mehr. Zweifler lade ich gern mit zum Kunden ein, spätestens dann werden letzte Zweifel ausgeräumt und die gegenseitige Anerkennung ist gegeben…

CP: Sie sprechen mit Ihren Dienstleistungen unterschiedlichste Unternehmen an. Haben Sie dem entsprechend passende Vertriebsfunktionen zu den verschiedenen Kundensegmenten installiert? Bspw. Key Account Manager, regionale Verkaufsteams, Branchenmanager?

MB: Wir haben neben den lokal agierenden Vertriebsmitarbeitern ein Key Account Management in der Zentrale installiert, zusätzlich einen Sales Support für die operativen Einheiten. Es hat sich herausgestellt, dass die Komplexität des Systems Deutsche Bahn ein kunden- und fachspezifisches Know-How benötigt. Die Kunden verlangen eine Betreuung aus einer Hand und erwarten ganz klar, das lokal umgesetzte best-practice Fälle multipliziert werden – sowohl regions- als auch geschäftsübergreifend. Wir haben hier sehr gute Erfahrungen gemacht und unsere Kunden honorieren dies. 

CP: Immer mehr Unternehmen verabschieden sich vom traditionellen Produktverkauf und gehen über zum Lösungsverkauf. Als Dienstleistungsunternehmen müssen Sie ohnehin stärker auf die Argumentation von Mehrwerten setzen. Wie machen Sie das in der Praxis?

MB: In erster Linie indem wir den Kunden sehr früh bei seinen Vorhaben begleiten, bzw. bei der Planung neuer Projekte mit am Tisch sitzen. So sind wir seit zwei Jahren in den Planungsgesprächen der DB-Gesellschaften mit am Tisch um unsere Firma nach den zu erwartenden Notwendigkeiten auszurichten. Auch bieten wir übergreifend Lösungen an, wenn wir glauben, sie könnten zum vorliegenden Problem passen. Der DB-Konzern ist historisch bedingt je Gesellschaft und Geschäftsbereich bzgl. Personalflexibilisierung verschieden weit entwickelt. Hier beraten wir eingehend, bringen Menschen verschiedener Bereiche zusammen und steigern so die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Gesellschaften. Sie finden somit Personallösungen der DB Zeitarbeit in einem 150 Jahre alten Instandhaltungswerk in Fulda genauso wie in neuen Start-Up-Initiativen der DB AG in Berlin.

Der Erfolg stellt sich erst nach Ausbalancierung aller Aktivitäten ein und muss täglich gemanagt werden.

CP: Viele Vertriebsorganisationen werden immer noch ausschließlich über Umsatz, also ergebnisorientierte Kennzahlen geführt und incentiviert. Der Trend geht nun stärker zu aktivitätenbezogenen KPIs. Wie bzw. mit welchen Kennzahlen führen Sie Ihre Organisation?

MB: Vorab muss man wissen, dass unsere Gruppenleiter Vertrieb und Personal (GVP) sowohl den lokalen Vertrieb, das Recruiting qualifizierter Mitarbeiter und das operative Geschäft verantworten. Unsere Geschäftsstellen sind eigene Profitcenter, somit haben alle KollegInnen das EBIT-Ziel der Firma sowie des Standortes in Ihren Zielvereinbarungen. Denn neben einer guten Auftragslage ist die Rekrutierung geeigneten Personals sowie dessen wirtschaftliche Personalüberlassung erfolgskritisch. Darüber hinaus messen wir noch Vertriebsaktivitäten wie Besuche, aber auch das Vorhalten eines qualifizierten Kandidatenpools sowie die Anzahl besetzter Aufträge. Das macht insbesondere das Geschäft der Zeitarbeit so spannend: der Erfolg stellt sich erst nach Ausbalancierung aller Aktivitäten ein und muss täglich gemanagt werden. Lukrative Aufträge werden erst dann monetarisiert, wenn auch geeignete Mitarbeiter in den Einsatz gebracht werden und beim Kunden die Arbeit aufnehmen.

CP: Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen, mit denen Ihr Vertrieb bzw. Sie als Geschäftsführer Vertrieb tagtäglich konfrontiert werden?

MB: Die größte Herausforderung in der Zeitarbeit ist, dass sich täglich die Vorzeichen ändern und es keine Planungssicherheit gibt. Und damit meine ich kundenspezifische Umstände, die ein sofortiges Umpriorisieren der täglichen/wöchentlichen Agenda bedeutet. Diese Dynamik ist in der Zeitarbeitsbranche sehr ausgeprägt und bedarf einer großen Resilienz der Akteure. Der Arbeitsalltag ist oftmals sehr fremd bestimmt – darin liegt übrigens der Reiz der Funktion. Wir haben ja einerseits die Kundenanforderungen, andererseits den Bewerbermarkt sowie Mitarbeiteranliegen in den Geschäftsstellen – hochgradig dispositive Arbeit mit der Herausforderung, strategische Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. Und das Ganze noch mit einem Lächeln zu garnieren verlangt unserem Team häufig alles ab – aber wir haben auch Spaß bei der Arbeit und unsere Kunden und Mitarbeiter spüren das. Unsere Mitarbeiterzufriedenheitsbefragung weist sehr gute Werte aus, was mich persönlich besonders freut.

CP: Social Selling als neuer Verkaufsansatz wird immer wichtiger. Herr Botta, Sie sind seit vielen Jahren mit einem eigenen Profil bei Xing sehr aktiv vertreten. Welche Bedeutung gewinnen Ihrer Meinung nach die sozialen Medien für die Gestaltung des eigenen Verkaufsprozesses und die Beeinflussung des Kaufentscheidungsprozesses Ihrer Kunden?

MB: Ja, ich habe seit Jahren ein sehr aktives Profil und benutze Xing u.a. als digitales Visitenkartenbuch – das zeigt schon die Anzahl meiner Kontakte. Ich werfe auch täglich einen Blick hinein: wer hat einen neuen Job, welche News werden geteilt oder wem kann ich zum Geburtstag gratulieren. Darüber hinaus halte ich so seit Jahren Kontakt zu Menschen, welche ich sonst aus den Augen verlieren würde. Es gibt sogar diverse KollegInnen in der DB Zeitarbeit, die ich so rekrutieren konnte – ein schöner Nebeneffekt.
Persönlich nutze ich Xing eher weniger unter vertrieblichen Gesichtspunkten und halte dies auch für schwierig im Dienstleistungsvertrieb. Sicher kann es bei Recherchen einen Nutzen bringen – ansprechen würde ich Kunden grundsätzlich per Telefon oder noch lieber persönlich.
Für unsere Firmenkommunikation wird Social Selling sicher an Bedeutung gewinnen – allein aufgrund der bundesweiten Aktivitäten und flächendeckenden Präsenz können wir so zukünftig mehr Bewerber, aber auch bestehende Mitarbeiter erreichen. Wie gesagt: ich verstehe auch Recruiting als eine Art ‚Vertrieb‘. In unserer zentralen Marketingabteilung beschäftigt sich eine Kollegin explizit mit der Nutzung neuer Medien und wir werden diesen Vertriebskanal ausbauen.

Im Zukunftsreport 2016 spricht Matthias Horx davon, dass Megatrends „Lawinen in Zeitlupe“ sind; diese Metapher gefällt mir zur Beschreibung der Digitalisierung sehr gut.

CP: Digitalisierung ist das Schlagwort der vergangenen Monate und Gegenstand medialer Berichterstattung – Digitalisierung wird die Geschäftswelt nachhaltig verändern. Welche Rolle spielt dieser Trend in Ihrem Bereich und wie gehen Sie damit um?

MB: Im Zukunftsreport 2016 spricht Matthias Horx davon, dass Megatrends „Lawinen in Zeitlupe“ sind; diese Metapher gefällt mir zur Beschreibung der Digitalisierung sehr gut. Auch unser Geschäft wird sich nachhaltig verändern und somit unsere Geschäftsprozesse einer starken Veränderung aussetzen. Zwei Beispiele möchte ich anführen:
Die DB AG führt aktuell weltweit eine neue Rekrutierungssoftware ein, welche auch die Rekrutierung von Mitarbeitern der DB Zeitarbeit in Deutschland qualitativ verbessern wird. Wir werden schneller, die Bewerberauswahl erfolgt passgenauer und gute Bewerber können automatisch offenen Vakanzen im DB-Konzern zugeordnet werden. Dies ersetzt nicht persönliche Gespräche oder die genaue Kenntnis der Kundenanforderungen, dies lässt sich nicht automatisieren. Aber das Screening von Bewerberdaten und und die Offerte interessanter Vakanzen lassen sich konzernweit beschleunigen und machen somit unsere Kunden sowie potentielle Mitarbeiter zufriedener – ein Gewinn für alle Beteiligten.
Die DB Zeitarbeit wird die elektronische Stundenerfassung der Zeitarbeitnehmer per App einführen – die Fakturierung unserer Dienstleistung sowie die Entlohnung der Mitarbeiter erfolgt effizienter und unsere GVP haben mehr Zeit für Kunden- und Mitarbeitergespräche. Darüber hinaus planen wir zeitnah die Einführung der digitalen Signatur, was insbesondere die Administration verschlankt und ebenfalls Freiräume für Vertrieb schafft. Wir schauen der Digitalisierung somit erwartungsfroh entgegen.
 
CP: Wie sehen Sie persönlich den Vertrieb der Zukunft und welche Herausforderungen sind damit verbunden?

MB: Ich bin persönlich überzeugt, das gute Vertriebler in der Zukunft an Bedeutung gewinnen. In Zeiten, in denen der Kunde jederzeit alles online recherchieren und beschaffen kann, wird solide Vertriebsarbeit das Alleinstellungsmerkmal sein. In einem Vortrag von Prof. Dr. Skibicki zum Thema Digitalisierung wurde ich erst neulich in meiner Überzeugung bestätigt, dass Empathie und der Faktor Mensch auch im Zeitalter der Digitalisierung erfolgskritisch sein werden. Eine Herausforderung wird m.E. die Gewinnung begeisterungsfähiger Mitarbeiter, die diesen Geist in die Kundschaft tragen. Hier gilt es, attraktive Beschäftigungsbedingungen zu schaffen – dazu gehört selbstredend auch eine motivierende Führungsarbeit die Talenten eine Entwicklung und Erfolge ermöglicht. Persönlich hoffe ich, in meinem Wirkungskreis dieser Anforderung gerecht zu werden.

CP: Vielen Dank für das Interview

Gerne sprechen wir auch mit Ihnen über Trends und Zukunftsvisionen im Vertrieb.