„Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen!“
Max Karl Ernst Ludwig Planck, deutscher Physiker, 1858–1947
Die einschlägigen Preisstrategien sind inzwischen bekannt. Ihre Präsentation aus Gründen der Information wäre trivial. Wenn hier trotzdem kurz auf sie eingegangen wird, dann weniger, um zu informieren, sondern um den Kontext der Umsetzung von Strategien ins Bewusstsein zu rufen. Denn – das haben wir in anderen Beiträgen bereits mehrfach erwähnt – die Umsetzung ist alles andere als trivial.
Um profitabel zu wachsen, können Unternehmen bekanntermaßen ihre Kosten reduzieren und/oder Erträge steigern. Die erste Variante ist für viele Unternehmen mittlerweile keine durchschlagskräftige Option mehr, da die Manager in der Vergangenheit ihre Hausaufgaben erledigt und die vorhandenen Kosteneinsparpotenziale ausgeschöpft haben. Absatzmengen kontinuierlich weiter zu erhöhen, bleibt eine in etablierten Märkte sehr herausfordernd. Bleibt also die Option, Erträge zu steigern. Um Ertragspotenziale präzise und übersichtlich abzubilden, bedienen sich Preisstrategen unterschiedlicher Verfahren und Werkzeuge. Besonders populär ist der sogenannte Preiswasserfall (häufig auch Preistreppe genannt). Er verdeutlicht auf einem Blick, wie und warum sich ein am Markt grundsätzlich erzielbarer Preis in einen erheblich niedrigeren Netto-Preis verwandelt. Man sucht und findet auf diesem Weg entgangene Erlöse. Genauso lässt sich umgekehrt verdeutlichen, mit welchen Stellhebeln Erlöse erhöht werden können. So können Zu- und Abflüsse übersichtlich dargestellt werden (siehe Abb. 1).
Betrachten wir die Ergebnisse und Empfehlungen der Preisstrategen eingehender, werden folgende Defizite – natürlich mit unterschiedlichen Ausprägungen bei den Unternehmen unterschiedlicher Branchen – gebetsmühlenartig aufgezeigt: Erlöse werden grundsätzlich durch eine zu unsystematische und nachgiebige Preispolitik unnötig geschmälert. Im Einzelnen: Die Preise für analysierte (Massen-)Produkte sind oft zu niedrig und erwirtschaften dem Lieferanten beim Verkauf negative Deckungsbeiträge. Und im selben Atemzug: Die Preiszugeständnisse richten sich nicht an den tatsächlichen Potenzialen bzw. definierten Kundensegmenten aus. Insgesamt variiert demzufolge der tatsächliche erheblich vom gewünschten oder potenziell erzielbaren Preis. Diese skizzierten Schwächen resultieren daraus, dass die Konditionen oftmals nicht konsistent und transparent festgelegt und konsequent durchgesetzt werden. Speziell kleine Kunden, die hart verhandeln, erhalten vielfach Preise, die auf Basis ihrer Abnahmemengen nicht gerechtfertigt sind. Preispolitik muss sich über transparente, nachvollziehbare Kriterien wie Abnahmemengen, Verbindlichkeit etc. definieren. Ebenso muss die Systematik Leistung versus Gegenleistung eingefordert werden. Dazu erläuterte Media Markt & Saturn Chef Horst Norberg in der FAZ Sonntagszeitung:
„Der Media Markt schafft die Sonderangebote ab, Schluss mit den Rabattschlachten. Wir, das heißt der Media Markt, machen Schluss mit dem Preisirrsinn. Schluss mit den Schleuderpreisen, den Geizhalsangeboten. Das wollen die Menschen nicht mehr. Wir bekennen uns zur Preiswahrheit und -klarheit.“
FAZ 02.10.2011
Dies betrifft Mengenverpflichtungen in gleichem Maße wie beispielsweise Zahlungsbedingungen. Es überrascht, wie großzügig sich die Lieferanten in vielen Fällen verhalten. Eine weitere Unart: Die Konditionssysteme sind mit unzähligen Parametern so komplex geworden, dass weder Verkäufer noch Kunden sie nachvollziehen können. Gewollte Anreize verpuffen so unwirksam. Anstatt Kunden zu binden, besonders deckungsbeitragsstarke Produkte in die Optik der Einkäufer zu rücken und das Preissystem fair und transparent abzubilden, wird sehr schnell dem Wunsch des Einkäufers nach dem bestmöglichen Netto-Preis nachgegeben. Pikanterweise verbergen sich hinter der mangelnden Transparenz bei Preisen und dem fehlenden Leistungsprinzip (wer am lautesten schreit, erhält die besten Konditionen) tickende Zeitbomben. Tauschen sich die Wettbewerber untereinander aus, etwa wenn sie sich in Einkaufsverbünden konzentrieren, können sich die Preise und Konditionen erdrutschartig zum Nachteil der Lieferanten verschlechtern. Auch das Vertrauensverhältnis der Kunden zum Lieferanten leidet in diesem Fall durch Kenntnis unangemessener, für andere Kunden nicht nachvollziehbarer Tiefstpreise. Zumindest aber gibt es erheblichen Klärungs- und Erklärungsbedarf.
Zusätzlich sehen Kunden Services der Lieferanten selbstverständlich als kostenlos an und interpretieren die gewährten Leistungen als ihr über Jahre erkämpftes Gewohnheitsrecht. Unschuldig sind die Anbieter an dieser Misere freilich nicht, da sie mit diesen Leistungen jahrelang ihre höheren Preise im Vergleich zum Wettbewerb argumentiert haben. Immer wieder gerne werden auch tägliche Belieferungen und Kleinstaufträge in Anspruch genommen, ohne dass die entstehenden Mehrkosten dargestellt bzw. in Rechnung gestellt werden. Wer bei Amazon ein Buch bestellt, weiß, dass automatisch eine Gebühr für den Transport erhoben wird, wer mehrere Exemplare erwirbt, zahlt nicht. Tatsächlich verursachen alle diese Leistungen den Lieferanten erhebliche Kosten und schmälern die ohnehin rückläufigen Erlöse nicht selten um einen sechsstelligen Betrag pro Jahr. Wir verzichten an dieser Stelle bewusst auf weitere, tiefergehende Analyseergebnisse und verweisen dazu auf die einschlägige Literatur (vgl. z. B. Simon 2009) oder den Kontakt mit Preisexperten. Natürlich simplifizieren wir an dieser Stelle. Wir tun dies aber sehr bewusst, da bei unterschiedlichen Branchen und unterschiedlichen preisstrategischen Empfehlungen letztlich die Herausforderungen für den Vertrieb gleichbleiben: (vermeintlich) unangenehme Botschaften zum Kunden zu transportieren. Welche Konsequenzen leiten sich aus den gewonnenen Erkenntnissen ab? Dazu lassen sich die populärsten Empfehlungen der Preisexperten nach den bereits vorgestellten Stellhebeln sortieren. Wir beginnen dabei mit der „Pflichtaufgabe“, Preise und Konditionen zu realisieren, kommen danach zu den Service-Leistungen und beschäftigen uns zum Schluss mit der „Königsdisziplin“, die Mehrwertleistungen umzusetzen:
- Preise und Konditionen realisieren: Die Differenz zwischen Brutto- und Netto-Preis ergibt sich aus Nachlässen wie diversen Rabatten, Zahlungsbedingungen und Boni. Empfehlungen, die dazu dienen, den entsprechenden Wertverlust zu reduzieren, konzentrieren sich darauf, die Konditionen zu analysieren und neu auszurichten. Dabei werden Zugeständnisse mit klar definierten und nachgehaltenen Gegenleistungen verknüpft, die an den Potenzialen der Kunden ausgerichtet werden.
- Service-Leistungen realisieren: Dem Netto-Preis nachgelagerte Abflüsse führen zum realen Preis. Hierunter fallen die sogenannten Transaktionskosten wie Fracht oder vereinbarte Services. Empfehlungen zu diesem Stellhebel verlangen, bestehende Service-Leistungen zu kalkulieren, gemeinsam mit dem Kunden auf ihren Nutzen zu diskutieren und ggf. in Rechnung zu stellen. Dabei kann z. B. ein Preistool (Das Preistool ermöglicht dem Nutzer, einzelne Leistungskomponenten zu kalkulieren.) helfen, das verschiedene Service-Elemente an Kundensegmenten ausrichtet und dabei hilft, Preise zu differenzieren.
- Mehrwertleistungen realisieren: Hier werden Potenziale bzw. Abflüsse zusammengefasst, die den grundsätzlich möglichen Preis beeinflussen. Dieser ist höher als der aktuelle Brutto-Preis. Um das gewünschte höhere Niveau zu erreichen, wird empfohlen, Preise (bei ausgewählten Kunden und/oder für bestimmte Produkten) anzupassen. Alternativ oder zusätzlich sollen Parameter definiert werden, die für Kunden einen gewünschten Nutzen schaffen und damit einen höheren Preis rechtfertigen.
Hier gehen wir näher auf die drei Stellhebel des Preiswasserfalls (siehe Abb. 1) und die entsprechenden Herausforderungen ein.