Value Selling ist der Nr. 1 Trend in dem aktuellen Mercuri Zukunfts-Report. Wie kann man diesen Ansatz für sich nutzen und erfolgreich umsetzen?
In der weltweiten Studie 2021 zu den 10 wichtigsten Trends im Vertrieb, hat sich einer deutlich hervorgehoben: Kundenwert-Orientierung. 85% der über 1000 weltweit befragten Unternehmen glauben, dass die Umsetzung des Mehrwertverkauf zukünftig erfolgsentscheidend ist. Dabei wird angenommen, dass die Einnahmen aus dem traditionellen Produktverkauf in den nächsten 3 Jahren dramatisch sinken, im Gegenzug die aus wertorientiertem Verkauf entsprechend steigen. 43 % der Einkäufer sagen, dass sie für die Lösungsfindung keine Verkäufer mehr benötigen, weil die meisten Produkte selbsterklärend sind, zumal die Anwender im eigenen Unternehmen inzwischen über genügend eigene Kenntnisse verfügen.
Was bedeutet Mehrwert und welche Anforderungen ergeben sich für den Vertrieb?
Geredet wird vom Mehrwert-Verkauf schon länger. Wichtige Treiber sind der Preisdruck, der stark wachsende Online-Handel und die häufig fehlende Einzigartigkeit der zu verkaufenden Produkte. Eine Untersuchung der Universität St. Gallen (Christian Belz) aus dem Jahr 2015 zeigt, dass sich mit der professionellen Umsetzung die Verkaufspreise im Durchschnitt um 14% steigern lassen. Warum wird die Bedeutung des Ansatzes jedoch immer wieder hervorgehoben, anstatt konsequent an der Umsetzung zu arbeiten?
Starten wir zunächst mit einer Klarstellung: Nicht überall, wo Mehrwert draufsteht, ist er auch drin. Es bedarf deshalb einer scharfen, anspruchsvollen Definition: Es handelt sich beim Mehrwert-Verkauf um messbare Verbesserungen bei den Prozessen der Kunden, er spart Zeit (Stunden/Minuten) und Geld (Euro/Cent), und/oder generiert mit weniger Ressourcen (z.B. Manntage) einen besseren Output (z.B. Stückzahlen).
Damit wird nicht das Produkt oder die Dienstleistung ins Zentrum des Verkaufsgesprächs gestellt, sondern der messbare Nutzen. Das klingt selbstverständlich, erfolgt jedoch in der Praxis viel zu selten. Viele Verkäufer sprechen immer noch lieber darüber, was die eigene Maschine oder das Produkt leistet und worin die Besonderheiten des Angebots bestehen. Der Mehrwert muss aus den Leistungen und dem Kontext, in dem der Kunde die Leistungen einsetzt, abgeleitet werden, um wirklich wertvoll zu sein. Dazu benötigt der Verkäufer vor allen Dingen hervorragende Kenntnisse über das Geschäft des Kunden und die Ansprechpartner im Buying-Center. Auch ändert sich die Verkaufstechnik im Vergleich zum traditionellen Produktverkauf signifikant. Gefordert sind individuelle Ansprachen der verschiedenen Stakeholder. So interessieren das Management nicht Informationen über Produkte und deren Anwendungen, aber, wie z.B. messbar eingespart oder mehr Output erzielt werden kann. Andererseits wollen Produktionsleiter ihre Prozesse und Abläufe beschleunigen bzw. effizienter und effektiver gestalten.
Wie werden Mehrwert-Konzepte erfolgreich umgesetzt?
Das RISE-Modell beschreibt einen pragmatischen Ansatz in 4 Schritten:
(1) Wie wird eine gute Bedarfsanalyse gemacht (RESEARCH)
Was der Kunde in einem Gespräch spontan mitteilt, reicht oft nicht aus: Hinter seinen Anfragen stehen auch unausgesprochene Treiber, Ziele und Herausforderungen, die identifiziert werden müssen. Hier wird analysiert, wie auch Informationen zu den Branchentreibern Geschäftszielen, operativen Zielen und persönlichen Motiven operativen Problemendes Kunden gewonnen werden können.
(2) Wie können Sie die am besten passende Lösung entwickeln (INVENT)?
Es ist wichtig, einen maßgeschneiderten kundenspezifischen Mehrwert zu erarbeiten, der den Anforderungen des jeweiligen Kunden entspricht. Noch wichtiger ist es jedoch, den Wert der eigenen Lösung greifbar und konkret darzustellen. In diesem Meilenstein werden die geschäftlichen Herausforderungen der Kunden mit den Wert-Elementen der eigenen Lösung verknüpft, und zwar mit Zahlen und Fakten, die den Wert der Lösung quantifizieren können.
(3) Wie können Sie eine Lösung überzeugend präsentieren (SHOW)?
Verkäufer fühlen sich oft am wohlsten, wenn sie über die Dinge sprechen, die sie gut kennen, also ihre Produkte und Dienstleistungen! Wenn jedoch ein Mehrwert-Konzept umgesetzt werden soll, muss der Fokus verschoben werden. Dazu muss ein passendes Angebot erstellt werden, mit dem die eigenen Lösungen effektiv positioniert und ein überzeugendes Verkaufsgespräch führen werden kann. Dabei gilt es den einzigartigen Wert herauszustellen, um ihn von dem des Wettbewerbers zu differenzieren. Es geht dabei also um die Vorteile, den Nutzen, den Wert und die Auswirkungen auf die betrieblichen Herausforderungen der Kunden greifbar darstellen zu können.
(4) Wie das Geschäft abschließen (ENGAGE)?
Nach der Präsentation des Mehrwertes werden wahrscheinliche Fragen bzw. Einwände auftreten, die professionell gemanagt werden müssen! In dieser Phase geht es auch um den Preis & Kalkulation für das eigene Angebot und den finalen Abschluss mit Konditionen etc.
Fazit:
Mehrwert-Verkauf scheint in der Praxis immer noch Alles und Nichts zu sein. Bereits für Worthülsen im Konzept wird häufig applaudiert.
Cristian Belz, Universität St. Gallen
Gängige Einschätzung der Praxis: Entsprechend wichtig ist es, den Ansatz für das eigene Unternehmen zu spezifizieren und den Vertrieb konsequent zu unterstützen Denn die Ansprüche an den persönlichen Verkauf sind sehr hoch, schon deshalb sind viel Training und enge Führung gefordert.