Worauf sich Verkäufer in der Zusammenarbeit mit dem Einkauf einstellen müssen
In den letzten Jahren hat sich das Einkaufsmanagement im B2B deutlich weiterentwickelt und professionalisiert. Stichworte: Systematische Lieferantenselektion und -bewertung, Global Sourcing, Harmonisierung des Vertragsmanagements, E-Procurement, Nutzung digitaler Medien im Einkaufsprozess, Treffen von Einkaufsentscheidungen in Buying Centern. Ferner kann man davon ausgehen, dass die Gesprächspartner auf Kundenseite in Sachen Sozial- und Verhandlungskompetenz weiter „aufgerüstet“ haben und den Verkäufern diesbezüglich inzwischen nahezu ebenbürtig sind. Welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus für das verkäuferische Auftreten und wie werden Verkäufer diesen Anforderungen aktuell gerecht?
1. Genaue Kenntnis der „neuen“ Kaufprozesse erfolgskritisch
Die Unternehmen haben in den letzten Jahren ihre Kaufprozesse zunehmend professionalisiert und dokumentiert. Tendenziell werden die Buying Center größer. Dabei werden den Beteiligten klare Aufgaben und Kompetenzen zugeordnet. Deutliche Veränderungen zeichnen sich bei den genutzten Informationsquellen ab. Speziell in den frühen Phasen des Beschaffungsprozesses werden zunehmend digitale Medien genutzt. „70 % of B2B Buyers use social media as a research tool. “ (Quelle: What do B2B Buyers want …). Die Verkäufer treffen bei ihren Erstkontakten also auf wesentlich besser vorbereitete Gesprächspartner.
2. Neuausrichtung der eigenen Vertriebsarbeit notwendig
Der Verkauf ist gefordert auf diese Entwicklung zu reagieren und Antworten zu folgenden Fragen zu finden:
- Welche digitalen Medien werden von den Mitgliedern des Buying Centers regelmäßig im Rahmen des Beschaffungsmanagements in der Kauf- und Nachkaufphase genutzt?
- Welche Implikationen ergeben sich für den Aufbau der Verkaufsgespräche? Welche Informationen können die Verkäufer als bekannt voraussetzen? Mit welcher Gesprächstechnik lässt sich dies verifizieren?
- Welche Schlussfolgerungen ergeben sich für den Aufbau und die Inhalte der eigenen Website sowie weiterer digitaler Medien?
- In welchen sozialen Foren sind die Mitglieder der Buying Center engagiert? Wie präsent sind die Mitglieder des Selling Centers unter der Führung des Verkäufers dort?
- Welche inhaltlichen Informationsbedürfnisse haben die einzelnen Mitglieder des Buying Centers? Auf welche Mitglieder der Buying Center soll sich der Verkäufer dabei eigentlich konzentrieren?
- Neuere Untersuchungen zeigen, dass sich trotz komplexer werdender Buying Center, es oftmals einen Schlüsselentscheider gibt. Ihn gilt es zu identifizieren. 90 % of the time, salespeople only need to convince one person in a buying committee – the dominant influencer. These B2B buyers are not always the highest-ranking people. Single-handedly, they impart their own will on the selection process by choosing the vendor and pushing the purchase through the procurement process (Quelle: What do B2B Buyers want…)
- Und schließlich: Welche Erkenntnisse ergeben sich nun für den zukünftigen Betreuungsmix des Verkäufers? Welches Mix aus persönlichen Besuchen und „digitaler“ Kommunikation, welche Verzahnung von Buying Center und Selling Center ist zielführend? In welchen sozialen Foren sollte der Verkäufer „Flagge“ zeigen?
Die Einkaufsgremien werden komplexer und beinhalten neben der Einkaufsabteilung auch Funktionen wie Qualitätssicherung, Controlling, Produktion und Kundenservice.
Zunächst wurden die Beteiligten befragt, inwieweit die Website des Lieferanten die Einkaufsentscheidung beeinflusst: 61 % gaben an „beeinflusst die Entscheidung definitiv“, nur 2 % gaben an „hat überhaupt keinen Einfluss“. Die folgenden 3 Aspekte bzw. Themengebiete sind aus Sicht der Buying Center im Bereich Manufacturing besonders relevant: „branchenorientierte Wettbewerbsvergleiche“, „Aufbau und Anmutung der Website“ and „Kundentestimonials und Referenzen“.
„A website is more than an online reference platform; it’s an extension of the sales force. “
Das bedeutet auch, dass die Website zukünftig noch aktiver im Kundenkontakt genutzt wird bzw. werden soll.
3. Welchen Verkaufsstil und welchen Verkäufertyp bevorzugen Einkäufer?
In einer aktuellen Untersuchung wurden Einkäufer gefragt, welchen Verkaufsstil und welchen Verkäufertyp sie bevorzugen.
Welchen Verkaufsstil präferieren Einkäufer:
- Verkaufsstil 1: 30 % wollen einen Verkäufer, der den Kunden echt herausfordert bzw. provoziert und proaktiv neue kreative Lösungswege aufzeigt.
- Verkaufsstil 2: 40 % erwarten hingegen einen Verkäufer, der zunächst gut zuhört und dann eine Lösung präsentiert, die das spezifische Problem des Kunden adressiert. Bevorzugt werden also Verkäufer, die aufgabenbezogen dem Briefing des Kunden folgen.
- Verkaufsstil 3: 30 % wollen einen Verkäufer, der den Kunden strategisch begleitet und erkennen lässt, dass er am Aufbau einer langfristigen Geschäftsbeziehung interessiert ist.
In derselben Untersuchung wurden Einkäufer zudem gefragt, welchen Verkäufertyp sie bevorzugen. Dabei konnten sie zwischen folgenden Typen wählen:
- Typ 1: 66 % präferieren den freundlichen, serviceorientierten und fachlich moderat kompetenten Verkäufer
- Typ 2: 23 % den sehr sachlich und fachlich sehr kompetenten Verkäufer
- Typ 3: 11 % eine charismatische Persönlichkeit mit geringem fachlichen Know how
(Quelle: What B2B Buyers want)
Die Ergebnisse zeigen u.E., dass der klassische Produktverkäufer mehr und mehr ausgedient hat. Kunden erwarten, dass ihre Partner auf der Lieferantenseite Lösungen präsentieren und ihren Beitrag zur Verbesserung der Geschäftsabläufe belegen. Gleichzeitig wird aber auch weiterhin Wert auf tragfähige persönliche Kontakte gelegt, wobei dem Verkäufer offenbar die Rolle des Relationshipmanagers zugeordnet wird, der fallweise auf die technische Expertise interner Experten zurückgreift.
4. Was Kunden an Verkäufern aktuell bemängeln
Inwieweit erfüllen die Verkäufer die an sie gestellten Anforderungen bereits? Das Ergebnis zeigt deutlich „Luft nach oben“. Nur 52 % der Käufer bewerten ihre letzten Kauferfahrungen als positiv. 91 % haben ihre Erwartungen an Verkäufer in den letzten Jahren erhöht (Quelle: What Do Today’s B2B Buyers want?)
Auf einer Skala von 1 = sehr unzufrieden bis 5 = sehr zufrieden wurden die Verkäufer mit 3,8 bewertet. Ähnlich liegt der Wert bei der Einschätzung der „Wichtigkeit“ des Verkäufers. Das Ergebnis ist durchaus enttäuschend. Andere Betreuungsfunktionen werden sowohl hinsichtlich der „Wichtigkeit“ als auch der „Zufriedenheit“ noch weitaus schlechter eingeschätzt. Offenbar ist es vielen Verkaufsorganisationen noch nicht ausreichend gelungen, ihr Selling Center beim Kunden ins richtige Licht zu setzen.
Natürlich ist es wichtig zu wissen, was Kunden an der verkäuferischen Betreuung aktuell missfällt. Hier fällt zunächst die erhebliche Diskrepanz zwischen der Diskussion in wissenschaftlichen Zirkeln und der konkreten Kontakterfahrungen von Kunden auf. Während in den wissenschaftlichen Publikationen hochtrabend über Value Selling und Consultative Selling diskutiert wird, mangelt es „im richtigen Leben“ offenbar nach wie vor noch an der Umsetzung von vergleichsweise simplen Basistugenden.
Dazu noch einige Statements von Befragungsteilnehmern:
„Der Vertrieb sollte nie versuchen, den Einkauf zu umgehen.“
Einkaufsleiter einer Schweizer Bank
„Kurzfristige Sicht (umsatzorientiert). Fehlendes Partner-Management. Fehlende Transparenz über Preis-/Leistungsverhältnis.“
Head of Purchasing Marketing & Cards, Swisscom Mobile
„Schaut man sich das Kompetenzprofil derer an, die mit Philips Geschäfte machen, so bemerkt man eine deutliche Entwicklung weg vom typischen Bezirksvertreter hin zum richtigen Key-Account-Manager. Wir wollen Partnerschaften mit wirklich reifen Menschen aufbauen. Was ich persönlich zutiefst hasse, ist, wenn Vertreter eine Unterhaltung mit ‚name-dropping‘ beginnen… „Ich kenne Herrn …“ Soll mich das etwas beeindrucken? Nummer zwei auf meiner ‚schwarzen Liste‘ sind unprofessionelle Verkäufer. Wir haben häufig Termine mit unseren Lieferanten, bei denen wir uns auf konkrete Handlungsweisen et cetera verständigen und nachher passiert nichts. Kein Gesprächsprotokoll, kein Nachfassen. Stattdessen müssen wir unsere Geschäftspartner daran erinnern, was sie zu tun haben.“
Manager Business Process Outsourcing, Philips General Purchasing, Netherlands
Zusammenfassung:
Viele Vertriebsorganisationen haben sich zum Ziel gesetzt, Verkaufen „von Profi zu Profi“ auf Augenhöhe mit dem Kunden zu praktizieren und in diesem Zusammenhang den Verkauf als Teil des Kundenmehrwerts zu positionieren.
Es scheint, dass der Verkauf stattdessen Gefahr läuft, gegenüber professionellen Einkaufsorganisationen ins Hintertreffen zu geraten. Verkäufer sind zwar schon lange keine „Reisenden“ mehr und perspektivisch werden sie mehr und mehr zum Kundenmanager, vom Anforderungsprofil gleichzusetzen mit Produkt- oder Marktmanagern, ausgestattet mit ähnlichen analytischen und konzeptionellen Fähigkeiten, um kundenspezifische Lösungen zu erarbeiten. Nur der Weg dorthin ist noch weit.
In der Entwicklung der Verkaufsorganisationen muss sowohl an der weiteren Verbesserung der Grundtugenden als auch an der Vision „Mehrwertverkauf“ gearbeitet werden. In diesem Zusammenhang wird der Verkäufer zusätzlich gefordert als Dirigent eines (virtuellen) Selling Teams, das mit dem Kundenteam kooperiert. Ausgestattet mit der entsprechenden Sozialkompetenz, die ihm hilft, Türen zu öffnen und tragfähige und dauerhafte Beziehungen zu etablieren. Nicht zuletzt werden Verkäufer zukünftig auch an ihrer eigenen „Marke“ arbeiten müssen. Dazu gehört auch eine gewisse Basispräsenz in den sozialen Medien, Blogs usw.
Quellen:
Verkaufen von Profi zu Profi- Den Einkauf überzeugen – mehr Umsatz mit Geschäftskunden; Wolfgang F. Bußmann und Dirk Zupancic, MI Verlag 2006
Studie: Katie Bullard – What do B2B Buyers Want? 2017
Verkaufen im 3. Jahrtausend, Marcus Redemann, Sales Management Review 2/2017