Weltmeisterlich verkaufen – Was der Vertrieb von der WM 2018 lernen kann

Der Weltmeister Deutschland ist sang- und klanglos ausgeschieden. Sowohl nach dem Spiel gegen Mexiko als auch nach dem Schwedenspiel gab es zwar Durchhalteparolen wie „Wir machen das schon, alles kein Problem“, am Ende blieb allerdings nur der traurige letzte Platz in der Vorrunde. Es klang wie bei einem marktführenden Unternehmen, das nach und nach Aufträge und Kunden verliert und sich ebenfalls in das Prinzip Hoffnung flüchtet, den Wettbewerb unterschätzt sowie weiterhin auf seine vermeintliche Stärke vertraut und dabei die Trends im Markt unterschätzt.

Wenn Sie die WM nutzen möchten, um weitere Analogien zwischen Fußball und Vertrieb zu erkennen, so finden Sie hier ein paar Ideen:

Mexiko überrascht den Weltmeister Deutschland

Alle zeigten sich überrascht, wie Mexiko im ersten Vorrundenspiel gegen Deutschland auftrat; körperlich robust, hoch verteidigend und schnelle Konter fahrend. Der mexikanische Trainer kommentierte dies abgeklärt mit dem Hinweis darauf, dass man diese Taktik schon seit sechs Monaten einstudieren würde. D.h. Mexiko hat die eigenen Stärken und Schwächen analysiert und mit den Stärken und Schwächen der deutschen Nationalmannschaft in Verbindung gesetzt.

Erkenntnis für den Vertrieb: Analysieren Sie für jeden Kunden bzw. jede Kundengruppe die Stärken und Schwächen Ihres Leistungsportfolios und setzen Sie es mit dem der einzelnen Wettbewerber in Verbindung. So entstehen viel präzisere Wertbotschaften. Diese helfen dabei, „Angriffe“ auf Ihre Kunden abzuwehren und selbst viel effektiver Kunden vom Wettbewerber zu gewinnen. Das von Mercuri International entwickelte Konzept der „6 Battlefields“ unterstützt Sie dabei, diese Wertbotschaften aufzubauen und in die DNA des Vertriebs zu integrieren.

Standards gewinnen an Bedeutung

Rund 44% aller Treffer wurden nach Standardsituationen erzielt. Zum Vergleich: Vor vier Jahren waren es nur 28,7%, in der abgelaufenen Bundesligasaison 33,1% und in der Champions League lediglich 24,7%. Kroatien hat bis zum Finale nur ein Gegentor aus dem Spiel heraus kassiert. Englands Erfolg fußte vor allem auf exzellent genutzten Standardsituationen. 75% der Tore für das Team von Trainer Gareth Southgate fielen nach Standards. Verblüffend ist dies vor allem deshalb, weil England in der Vergangenheit hier oft deutliche Schwächen zeigte und beispielsweise Ecken zum Anlass für Gespött der eigenen Fans wurden. Das Team hat die letzten zwei Jahre genutzt, um spezielle und kreative Varianten für Freistöße und Ecken zu trainieren. So wurde aus einer Schwäche eine Stärke.

Erkenntnis für den Vertrieb: Definieren Sie die Standards für die Vertriebsarbeit. Prozesse und Techniken für die Neukundenbearbeitung sowie zur Potenzialausschöpfung können ebenso standardisiert werden wie Ausschreibungsprozesse, Bestellvorgänge und Reklamationsmanagement. Ziel sollte sein, dass Sie in all diesen Prozessen Kundenorientierung und Differenzierung zum Wettbewerb herausstellen und somit eine höhere Trefferquote erzielen.

Diven zeigen Demut

Kroatien hat für viele überraschend das Finale erreicht und hat dort – zumindest in der ersten Halbzeit – ebenfalls ein starkes Spiel gemacht. Auch wenn ein klares, eindeutiges Spielkonzept bei den Kroaten nicht erkennbar war, so überzeugte das Team durch Leidenschaft und Mannschaftsgeist. Gespickt mit Stars wie beispielsweise Lovren, Modric, Rakitic und Mandzukic trat das Team als Einheit auf. Die Stars arbeiteten ebenfalls mit nach hinten und waren sich für keinen Laufweg zu schade. Zudem konnte man sich auf eine stabile Abwehr verlassen. Auch die Stars der Franzosen, wie Pogba, Griezmann und Mbappe stellten sich in den Dienst der Mannschaft.

Erkenntnis für den Vertrieb: Sorgen Sie für eine stabile Abwehr, d.h. halten Sie die Bestandskunden. So haben Sie eine sehr gute Basis für weiteres Wachstum. Machen Sie den Spitzenleuten im Vertrieb klar, dass trotz Talent im Vertrieb und großen bzw. vielen Aufträgen das Zusammenspiel im Team wichtig ist. Die Zeiten der einsamen Wölfe im Vertrieb ist vorbei, dafür sind die Anforderungen der Kunden zu komplex und spezifisch geworden. Nur als Manager des Projektes „Kunde“, die die Ressourcen Ihres Unternehmens für Ihre Kunden fokussieren, werden Ihre Verkäufer weiterhin Erfolge verbuchen können.

Neue Kennzahlen werden gebraucht

109 Flanken stellten einen Spitzenwert nach der Vorrunde dar. Führend in dieser Statistik: Die deutsche Nationalmannschaft. Dieser Wert wurde nur von den Teams im Halbfinale übertroffen, also von Teams, die vier Spiele mehr absolviert hatten. Ballbesitz, also die reine Quantität von Aktivitäten, zählt nicht mehr viel: Deutschland hatte in den drei Spielen um die 70% Ballbesitz. Kroatien hatte rund 60% Ballbesitz im Finale, doch am Ende jubelte Frankreich. In der folgenden Tabelle ist noch ein weiteres Beispiel für Kennzahlen und Interpretation von der WM 2014 zu sehen:


Team ATeam B
Ballbesitz52%48%
Pässe in den Strafraum1911
Flanken2210
Ecken75
Gefährliche Angriffe5534
Ballverluste6976
Schüsse1814
Schüsse aufs Tor1312

Man würde vermuten, dass Team A knapp gewinnt, oder? Das tatsächliche Ergebnis: 1:7. Team A ist Brasilien und Team B Deutschland. Die Zahlen stammen folglich aus dem Halbfinale der WM 2014 zwischen Deutschland und Brasilien. Für die Bewertung und Analyse helfen die Kennzahlen allerdings wenig. Abschlussquoten, ankommende Flanken oder Ort von dem die Schüsse aufs Tor abgegeben wurden, scheinen da bessere Alternativen zu sein.

Erkenntnis für den Vertrieb: Klassische Kennzahlen, wie Anzahl Besuche, Umsatz etc. helfen Ihnen nicht zwangsläufig, um die Vertriebsmannschaft optimal zu steuern. Die typischen Key Performance Indicators (KPI) sollten sich zu Key Behaviour Indicators (KBI) wandeln. So können die Aktivitäten des Vertriebs stärker berücksichtigt werden, die dann zu Leistungen (Performance) bzw. Ergebnissen führen. Ein Fußballtrainer schaut auch nicht 90 Minuten lang auf die Anzeigetafel, sondern konzentriert sich auf das Spielfeld; auf dem Spielfeld des Vertriebs – also dem Markt und den Aktivitäten – sollte folglich der Fokus der Kennzahlen liegen.

1:1 statt Ballbesitz

Ballbesitz hat nicht mehr dieselbe Bedeutung wie in den vergangenen 10 Jahren. Viel wichtiger sind die 1:1-Duelle geworden, um den Ball vors Tor und somit in abschlussreife Situationen zu bringen. Auch die Zeit der „falschen Neun“, die mit dem Ballbesitzfußball einherging, neigt sich dem Ende zu. Der klassische Mittelstürmer ist wieder gefragt.
Erkenntnis für den Vertrieb: Die reine Maximierung der Besuche oder Anrufe sind nicht mehr der Schlüssel zum Erfolg. Individuelles „Anlaufen“ der Gegenspieler, also eine spezifische Betreuung der Kundenkontakte ist entscheidend. Dazu gehört vor allem die Integration von Social Selling in den Verkaufsprozess. So kann eine maßgeschneiderte Kommunikation etabliert werden, die hilft, sich vom Wettbewerb zu differenzieren und den Kundenwert individuell darzustellen. Dies ist umso wichtiger, da sich die Kunden heutzutage über das Internet zu vielen Themen einfacher und schneller informieren können als in Diskussionen mit Lieferanten.

Kreativität und Agilität ist wichtig

Die Engländer überraschten mit ihren Standardsituation-Varianten. So reihten sich die Spieler bei Ecken wie in einer Warteschlange auf, bevor sie dann auseinandersprinten und so Platz für den kopfballstarken Spieler schaffen. Eine Idee, die der englische Trainer Gareth Southgate aus dem Deckungsverhalten für Quarterbacks der American Football-Teams aus der NFL abgeleitet hatte. Die Franzosen adaptierten dieses Variante und spielten sie im Finale.

Ebenfalls überraschend war die Offensivkraft, die Schweden im letzten Vorrundenspiel gegen Mexico entwickelt hat. Statt sich auf ihre bis dato soliden Abwehrfähigkeiten zu verlassen, stürmten sie mutig, gewannen am Ende 3:0 und marschierten damit ins Achtelfinale.

Erkenntnis für den Vertrieb: Die Zeit für eine einzige Strategie ist vorbei. Der Vertrieb muss heute viel agiler sein und sich auf die verschiedenen Verkaufssituationen einstellen. Die Kunden sind – bedingt durch das Internet – unterschiedlich weit in ihrem Entscheidungsprozess und haben eventuell schon konkrete Präferenzen zu Produkten, Lösungen und Lieferanten. Basierend darauf muss die weitere Vertriebsstrategie für diesen Kunden entwickelt werden. Auch kreative Ideen und disruptive Ansätze dürfen kein Tabu mehr sein. Das bedeutet auch, dass man nicht nur seine Vertriebsprozesse hinterfragt und justiert, sondern auch beim Lösungsportfolio ansetzt. Wie können die wahren Bedürfnisse der Kunden effizient und pragmatisch erfüllt werden? Auch die Frage „Wie können wir unsere Lösung ersetzen“ sollte offen diskutiert werden, sonst wird man Marktanteile an bestehende Wettbewerber oder Neueinsteiger verlieren. Zudem ändern sich die Märkte rasant: Amazon steigt in B2B-Märkte und in den Healthcare-Markt ein, Microsoft entwickelt Lösungen für die Datenanalyse und die Bahn macht sich beispielsweise Gedanken darüber, wie die Zukunft der Bahnhöfe aussieht, wenn autonomes Fahren massentauglich wird. In diesen volatilen Märkten braucht der Vertriebler heutzutage neue Fertigkeiten, um weiterhin erfolgreich zu sein.

Das Spiel dauert 90 Minuten (plus Nachspielzeit)

Viele und oftmals entscheidende Tore fielen in den letzten 10 Minuten bzw. der Nachspielzeit. Unvergessen – und vermutlich das einzige Highlight aus deutscher Sicht – das 2:1 durch Toni Kroos gegen Schweden.
Erkenntnis für den Vertrieb: Überlegen Sie, wie Sie in der finalen Angebotsphase den Abschluss sichern bzw. schon fast verloren geglaubte Angebote noch zu Ihren Gunsten drehen können. Helfen vielleicht das „Einwechseln“ der Geschäftsführung oder kreative Varianten in der Preis- und Lösungsgestaltung, um doch noch die Differenzierung zu den Wettbewerbern eindrucksvoll darzustellen? Verlieren Sie also nicht zu früh die Hoffnung. Wenn schon England ein Elfmeterschießen gewinnt, dann ist vieles möglich.

Marcus Redemann
Management Partner Mercuri International