Im Büro herrscht angespannte Stille. Alle Außendienstmitarbeiter sitzen an ihren Schreibtischen, blicken gebannt auf ihre Monitore und tippen konzentriert auf der Tastatur. Der Vertriebsleiter geht lächelnd durch die Reihen, schaut in das CRM-System und stellt zufrieden fest, dass alle Kollegen heute keine Termine haben und nicht unterwegs sind. Er lehnt sich zufrieden in seinem Stuhl zurück und freut sich, dass seine neue Strategie aufgeht.
Klingt merkwürdig? Auf dem ersten Blick: Ja. Es mag noch merkwürdiger erscheinen, wenn man sieht, was die Außendienstmitarbeiter an Ihren Schreibtischen tun: Sie überarbeiten ihre Profile in den sozialen Netzwerken, erstellen Blog-Einträge, kommentieren Posts und bereiten eigene Posts und Tweets vor.
Wandel im Entscheidungsprozess
Berücksichtigt man allerdings, dass sich das Informations- und Entscheidungsverhalten der Kunden in den letzten Jahren radikal gewandelt hat, ergibt das Verhalten Sinn. Rund 60% ihres Entscheidungsweges legen Kunden zurück, bevor sie überhaupt mit einem Außen-dienstmitarbeiter eines möglichen Lieferanten sprechen. Google nennt diese Phase vor dem ersten Kontakt „Zero Moment of Truth“ (ZMOT).
In diesen 60% nutzen sie alle Arten von Internet-Quellen, um sich über mögliche Lösungen und Herangehensweisen für die akuten Problem-stellungen zu informieren. Diskussionen in den sozialen Netzwerken spielen dabei eine entscheidende Rolle. Rund drei Viertel der Einkäufer suchen sich Informationen in eigenen Newsgroups (beispielsweise bei LinkedIn) und neun von zehn Entscheidern starten ihren Entscheidungsprozess im Internet.
60% ihres Entscheidungsweges legen Kunden zurück, bevor sie mit einem Verkäufer sprechen.
Konnten Verkäufer früher oft die ersten Entscheidungsphasen des Kunden durchaus direkt beeinflussen konnte, so sind ihre Möglichkeiten heute auf den ersten Blick limitiert. Es kommt darauf an, sein Unternehmen im ZMOT als relevant zu positionieren. Hier kommt Social Selling ins Spiel. Dabei geht es aber nicht darum, Plattformen wie XING oder LinkedIn zu nutzen, um potenzielle Kontakte jetzt anzuschreiben, anstatt anzurufen. Dann wird der Applaus des Kunden ausbleiben und Social Selling scheitert.
Worauf kommt es wirklich an beim Social Selling? Grundsätzlich sind diese 4 Stufen zu beachten:
- Die Marke „Ich“ positionieren
- Die richtigen Kontakte finden
- Mit Lösungen und Expertise an die Kontakte heran treten
- Starke, belastbaren Beziehungen aufbauen
Die Marke „Ich“ positionieren
Zunächst sollte ein aussagekräftiges und verkäuferisch wertvolles Profil erstellt werden. Vielfach sehen Profile aber eher wie ein Lebenslauf aus und eignen sich bestenfalls als Basis für eine Job-Bewerbung. Sie liefern kaum einen greifbaren Nutzen für potenzielle Kunden. Chancen, sich über sein Profil als Experte zu positionieren, bleiben so weitgehend ungenutzt. Bevor die ersten Postings und Diskussionsbeiträge losgetreten werden, sollte man zuerst Mitglied in relevanten Gruppen werden und vor allem „zuhören“.
Die richtigen Kontakte finden
Auf Basis der jeweiligen Marktbearbeitungs-strategie müssen die richtigen Kontakte identifiziert und selektiert werden. Dabei wird ein Kontakt pro Unternehmen oftmals nicht reichen. Laut Gartner Group sind üblicherweise 7 Per-sonen in Entscheidungsprozesse bei Unter-nehmen (Größe: 100 – 500 Mitarbeiter) involviert. Hier liegen enorme Chancen für Social Selling: Über die sozialen Netzwerke schnell eine Transparenz über die mögliche Ent-scheidungsstruktur des Kunden zu bekommen.
Mit Lösungen und Expertise an die Kontakte heran treten
Die Kraft des Social Sellings kann sich dann voll entfalten, wenn nicht planlos Informationen, digitale Imagebroschüren o.ä. an die Kontakte gepostet werden. Der gute Social Seller, analysiert die Ansprechpartner, versteht ihre Herausforderungen und platziert dann passgenau wertvolle Informationen. Dabei nutzt er eine Kombination aus E-Mail, In-Mail und Telefon. Damit dies erfolgreich und vor allem langfristig wirken kann, ist eine enge Zusammenarbeit mit Marketing und ggf. anderen Bereichen zwingend erforderlich. Marketing muss spannende Artikel, Posts, Meldungen etc. für den Vertrieb vorbereiten und so für ausreichendes Material sorgen, dass die einzelnen Vertriebsmitarbeiter nutzen können. Umgekehrt muss der Vertrieb die relevanten Themen ans Marketing zurück spielen. Nur so bleibt der Content beim Social Selling aktuell und relevant für die Zielgruppe.
Der gute Social Seller analysiert die Ansprechpartner, versteht ihre Herausforderungen und platziert dann passgenau wertvolle Informationen
Starke belastbare Beziehungen aufbauen
Nur wer sein Netzwerk pflegt und regelmäßig in Kontakt bleibt, wird in Erinnerung bleiben und sich weiter als Experte im „relevant Set“ des Kunden einpflanzen. Natürlich wird nicht jeder Post oder Kommentar gerade auf eine Bedarfssituation beim Kunden treffen und Geschäft generieren. Deshalb ist auch beim Social Selling ein langer Atem wichtig und Beharrlichkeit zahlt sich auch hier aus.
Ist die eigene Organisation fit für Social Selling?
Social Selling wird mit hoher Wahrscheinlichkeit scheitern, wenn man es der Kreativität und Bereitschaft jedes einzelnen überlässt. Wie jede andere Verkaufsstrategie benötigt auch Social Selling die nötigen Rahmenbedingen um ans Laufen zu kommen. „Social Selling Days“ – wie eingangs des Artikels beschrieben – sollten keine Seltenheit sein, sondern selbstverständlich in die Aktivitätenplanung der Vertriebsmitarbeiter gehören. Kennzahlen über Anzahl der Kontakte, „Likes“ bei Postings und Kommentaren, Tweets etc. müssen sich in das Kennzahlensystem der Unternehmen integrieren.
Die folgenden Prüfpunkte helfen, um festzustellen, in wieweit die eigene Organisation fit für ein erfolgreiches Social Selling ist:
- Das Unternehmen hat eine Social Selling Strategie
- Der Vertrieb weiß, wie erfolgreiches Social Selling betrieben werden soll
- Das Unternehmen hat KPI’s, um die Social Selling-Aktivitäten zu messen
- Anderen Abteilungen (vor allem Marketing) ist die Social Selling Strategie bekannt und sie wissen, wie sie optimal unterstützen können
- Die Führungskräfte im Vertrieb coachen das Social Selling ihrer Mitarbeiter
- Social Selling ist Teil des regelmäßigen Performance Reviews
- Social Selling wird auf Sales Meetings diskutiert
Oft hört man, dass die Kunden noch nicht für Social Selling bereit sind, gar nicht in den Netzwerken vertreten sind oder es nicht wollen. Sicher tut sich die Generation der Baby Boomer oder der Generation X als „digitale Immigranten“ noch schwer von den klassischen Vorgehens-weisen Abstand zu nehmen und in die unbekannte Welt einzutauchen. So werden schnell solch „alternative Fakten“ bemüht, um die eigene Starre zu rechtfertigen. Doch in Zeiten wo 95% der Entscheider klassische „cold calls“ ignorieren und 75% der Einkäufer lieber virtuellen Kontakt wollen, sollte man sich auf neue Vorgehensweisen einlassen und seinen Social Selling Index steigern. Social Selling Index? Ja, den gibt es; googeln Sie doch mal. P.S.: Google wurde erst vor 20 Jahren gegründet.
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