Implementierung einer Preisstrategie – Die Umsetzungslücke (Teil 1/5)

Die Umsetzungslücke – Der weite Weg von der Strategie zur Umsetzung

Man kennt die Bilder enttäuschter Fußballtrainer in Interviews nach verlorenen Spielen. Der Trainer hat sich die ganze Woche mit seinem Stab den Kopf malträtiert, den Gegner haarklein analysiert, um eine Sieg-Taktik auszuklügeln. Doch dann greift der Matchplan nicht. Es ist nicht gelungen, die Spielidee von seinem Kopf in die Beine der Spieler zu transportieren. Dieses Beispiel aus dem Sport ist eine Parallele zum Umsetzen von Preisstrategien. Auch hier gelingt es dem Top-Management in vielen Fällen nicht, den „Matchplan“ Preisstrategie den Mitarbeitern zu vermitteln. In vielen Unternehmen existiert -wie in unserem Fußballbeispiel- schlichtweg eine Umsetzungslücke. Die Distanz und die Unterschiede zwischen dem Top-Management – den Strategen – und den Mitarbeitern – den Umsetzern – sind zu groß, man kann sich nicht auf gemeinsame Ziele verständigen. Das Top-Management hat den strategischen Blick, den „Makrokosmos“; es sieht die Chancen, die Möglichkeiten, es denkt in Lösungen. Die Mitarbeiter sehen den „Mikrokosmos“; ihre Alltagsarbeit dreht sich um Kunden, Verkaufsgebiete, drohende Gehaltseinbußen, sie sehen die Risiken, die Unmöglichkeiten, sie denken eher in Problemen. 

Abb. 1: Die Umsetzungslücke

Für ein erfolgreiches Herangehen an preisstrategische Initiativen muss die Umsetzungslücke geschlossen werden. Sie benötigen eine funktionierende Kommunikation und müssen kommunikative Transmitter etablieren. Hier gilt es, insbesondere die Führungskräfte in diese Richtung zu entwickeln.

Die kurzfristige Erfolgsorientierung und die Abneigung gegen Analysen, Planungen und Schriftlichkeit

Die meisten Verkäufer haben eine Abneigung gegen jede Art von Vorgaben, Planung und Analysen. Dies wird verstärkt durch PowerPoint-Präsentationen des Top-Managements in einer von Anglizismen geprägten Fachsprache, die in vielen Fällen nicht richtig verstanden wird. Sie agieren lieber spontan und intuitiv und suchen aus dem Bauch heraus nach einem eigenen Weg. Die Ursachen hierfür liegen unter anderem im Berufsweg des Verkäufers begründet. Es handelt sich nicht um einen Ausbildungsberuf, deshalb trifft man als Unternehmen die Mitarbeiter in keinem planbaren, engen Korridor in puncto Vorbildung an. Außendienstmitarbeiter sind reine Seiteneinsteiger, die abrufbaren betriebswirtschaftlichen Kenntnisse sind dadurch sehr heterogen. Dies erschwert es den Unternehmen, Strategien und Konzepte in Richtung Außendienstmannschaft zu transportieren.

Hinzu kommen die Motive des Wechsels in den Vertrieb als zweiter relevanter Punkt für die Abneigung gegen Vorgaben, Planung und Analysen. Die nach einer gewissen Zeit als Techniker, Arzt oder Innendienstmitarbeiter entstehende Routine, das Gefühl, eingeengt zu sein, und die Erkenntnis, nicht genug Geld zu verdienen, beeinflusst in vielen Fällen den Wechsel in den Vertrieb. Die wichtigsten Motive sind damit, neben der Chance auf ein höheres Einkommen, das Streben nach mehr Unabhängigkeit und Selbstständigkeit. In der Vergangenheit bot das Berufsbild des Verkäufers tatsächlich erhebliche Freiräume, was ältere Vertriebsmitarbeiter auch gerne und ausschweifend kolportieren. Die Art und Weise, wie man zum Erfolg kam, blieb in den guten alten Zeiten jedem selbst überlassen. „Solange die Zahlen stimmen!“ Alles, was diese Freiräume auch heute noch in irgendeiner Form beschneidet, wird vehement abgelehnt. „Man ist ja nicht in den Verkauf gegangen, um Vorgaben zu erhalten!“ Zu denen gehören insbesondere längerfristige Planungen, vorgegebene Verkaufsprozesse und das ungeliebte Berichtswesen.

Daneben reist der Außendienstmitarbeiter überwiegend alleine, was in der Regel eine kritische Selbstreflexion nicht zulässt. Denn durch die „Einsamkeit“ im Verkaufsgebiet ist es kaum möglich, die eigene Qualität und Leistung gegenüber den Ergebnissen der Kollegen einzuordnen.

Da die wenigsten Außendienstmitarbeiter einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund besitzen, kommt man bei Kennzahlen, Deckungsbeiträgen, erforderlichem Umsatzzuwachs bei Preisreduzierungen etc. leicht ins Schleudern. Aber wer gibt das schon gerne freiwillig zu? Unsicherheit gehört nicht zum Eigenbild des Verkäufers. Der persönliche Erfolgsweg wird überproportional stark von Intuition, spontanen Reaktionen beim Kunden und dem Einsatz der eigenen Persönlichkeit geprägt. Planen und Besuche vorzubereiten, ist etwas für Theoretiker, „da die Realität ganz anders aussieht …“. Nur der Verkäufer besitzt die Nähe zum Kunden und meint, das Kundenverhalten einschätzen zu können. Die Meinung, dass erfolgreiches Verkaufen etwas Unerklärliches, fast Mystisches ist und sich Verkaufserfolg als eine Art Geniestreich ausgeprägter Individualisten kaum fassen und schon gar nicht reproduzieren lässt, wird hiermit aufrechterhalten. Die vom Management gewünschte und essenzielle Transparenz in der Vertriebsarbeit soll hierdurch verhindert werden. Wenn aber der Vertrieb „ein schwarzes Loch“ ist, birgt dies in engen, umkämpften Märkten ein hohes Risiko.

Veränderungen im Vertrieb – jede Strategie fordert neue Wege beim tagtäglichen Verkaufen – scheinen mit einem besonderen Risiko behaftet. Deshalb lässt man besser alles beim Alten. Untersuchungen belegen: Nirgendwo ist die Bereitschaft, etwas zu verändern, so gering wie im Vertrieb.

Konsequenz für die Umsetzung

Die involvierten Mitarbeiter müssen motiviert und begeistert werden, neue Wege zu gehen. Sie müssen – gerade bei Preisstrategien – betriebswirtschaftlich ausgebildet und trainiert werden. Darüber hinaus sollen sie erkennen, dass Vorgaben, Planung, detaillierte Abläufe, Erfolgskennziffern und Berichtswesen zwingend erforderlich sind, um eine Strategie erfolgreich zum Laufen zu bringen. Ansonsten kann es ihnen ergehen, wie dem lange Zeit unangefochtenen Kapitän der deutschen Nationalmannschaft Michael Ballack. Über ihn schrieb die Rheinische Post am 30.08.2011: „Ballacks Stil ist überholt. Im Hochgeschwindigkeitsfußball, wie ihn Leverkusen oder Dortmund bieten, kommt der Ex-Nationalspieler nicht mehr mit. […] Michael Ballack erlebt in diesen Tagen, wie schnell und unerbittlich sich der Spitzenfußball wandelt. Im Mai vergangenen Jahres sendete das Fernsehen noch einen Brennpunkt, weil Ballack verletzungsbedingt die WM verpassen würde. An vielen Stammtischen wurde damals diskutiert, ob es für die Nationalelf überhaupt Sinn mache, ohne ihn nach Südafrika zu reisen. 15 Monate später steht der 34-Jährige bei Bayer Leverkusen im Schaufenster des Sommerschlussverkaufs. […] In Ballacks besten Jahren konnte er auch mal das Tempo aus dem Spiel nehmen, auf den Ball treten, dirigieren. Für diese Art zu spielen fehlt heute schlicht die Zeit. Franz Beckenbauer sagte neulich: ‚Heute wird ein anderer Fußball gespielt […]‘“ (Klüttermann 2011)

Auch im Vertrieb ist eine andere Zeit angebrochen; rückläufige Erträge, Überkapazitäten etc. erfordern, den Vertriebsmitarbeiter näher an die betriebswirtschaftlich erforderlichen Maßnahmen heranzuführen, er muss die Probleme verstehen, um sie lösen zu können. Also muss das Management ein Klima für Veränderungen schaffen, seine abgehobene Präsentationssprache „erden“, den Mitarbeitern Ängste nehmen und Vorteile aufzeigen. Das Management sollte sich bewusstmachen, dass man den „Seiteneinsteiger-Verkäufer“ an völlig unterschiedlichen Stellen „abholen“ muss.

Man kann es in diesem Satz zusammenführen:

Nur ein involvierter Vertriebsmitarbeiter ist ein motivierter Vertriebsmitarbeiter!