Value Selling – was ist das eigentlich? Ein Definitions-Versuch

Vielfalt der Begriffe für Value Selling


Eine ganze Reihe von Begriffen wie Nutzenverkauf, Value Proposition, Lösungsverkauf, strategischer Verkauf, Spin Selling, Professional Sales, Sales Excellence, Experience Selling, Adaptive Selling, Consultative Selling, Performance Selling oder Enterprise Selling deckt sich weitgehend mit dem des Value Selling oder Value Based Selling. Auch zu Upselling und Cross-Selling ergeben sich Bezüge. Es handelt sich eher um Synonyme und Facetten, als um eigene Ansätze.

Value Selling ist je nach Marktentwicklung, Konkurrenzsituation, Kunden und Leistung sehr spezifisch. Die Initiativen von Unternehmen reichen von kleinen Verbesserungen bis hin zu radikalen Innovationen, sind vom Anbieter oder vom Kunden getrieben oder entstehen in einer unabhängigen Entwicklung oder einer engen Kooperation (Möller 2006, S. 913ff.). Demgemäß unterscheiden sich die Anforderungen an den Verkauf.

Value Selling ist omnipräsent. Welches Unternehmen verkauft den Kunden schon Unwerte? Wie unterscheiden sich Lösungen und Nichtlösungen für Kunden? Ist ein schlanker Produktverkauf noch kein Value Selling? Es gibt keine klare Vorstellung darüber, was Value Selling bedeutet.

Wie ist der Stand der Forschung dazu? Das Thema Value Selling ist im Business-to-Business-Vertrieb lange bekannt und bearbeitet, darauf deutet die vielfältige Literatur zum Thema. Verschiedene Autoren versuchten, den Ansatz mindestens für ihre Teilfragen zu klären und befassten sich mit Vertiefungen; beispielsweise zum Erfolg von Value Selling, zur Kategorisierung der Kundenvorteile und zum Customer Value Assessment, zu Value Selling in Netzwerken, zu erforderlichen Kompetenzen für Value Selling (beispielsweise, um bei Kunden neue Möglichkeiten für Geschäfte zu erkennen) oder zum Value Pricing. Wertvoll sind besonders jene Beiträge, welche die Kunden- und Lieferantensicht einbeziehen. Wie üblich sind viele Fragen in der Forschung gut und präzise gestellt, werden aber kontrovers beantwortet. Auch überwiegen beschreibende Beiträge. Die nützlichen Hinweise integrieren wir im folgenden Text. Bisher fehlt unseres Erachtens ein umfassender und praxisorientierter Ansatz, um Value Selling wirksam zu fokussieren und zu gestalten.

Definition von Value Selling – Kein Unternehmen darf sich unter seinem Wert verkaufen


Wir definieren Value Selling als eine Verbesserung der Verkaufsprozesse und der Interaktion mit Kunden. Es verbindet das eigene Angebot konsequent mit der Sichtweise und dem Nutzen des Kunden. Und: Der Ansatz vermittelt zwischen Verkaufsstrategie und Verkaufsausführung.

Ziel des Value Selling ist, die eigenen Leistungen nach ihrem Wert für Kunden zu verkaufen. Dazu gilt es, die Mehrwerte für Kunden sichtbar und wichtig zu machen. Es geht darum, das Werterlebnis des Kunden zu steigern. Im Dreieck 1) Leistung – 2) Preis – 3) Werterlebnis des Kunden wird der dritte Aspekt Werterlebnis oft vernachlässigt.

Im Value Selling werden unterschiedliche Sichtweisen der Kunden analysiert und gewichtet und schrittweise erweitert. Eine Dynamik ergibt sich aus dem Zusammenspiel zwischen

  • den wachsenden Anforderungen und vielfältigen Kaufprozessen des Kunden (für schlanke bis erweiterte Leistungen),

  • einem Wettbewerb, der sich laufend verbessert und

  • dem Engagement des eigenen Unternehmens und seines Vertriebs, um erfolgreicher im Markt vorzugehen (also Kunden zu gewinnen, zu halten und die Wertschöpfung mit ihnen zu erhöhen).


Übergreifend geht es bei Value Selling darum, nicht nur Produkte mit ihren ‚Features‘ zu verkaufen, sondern sich darauf zu konzentrieren, was eine Leistung dem Kunden letztlich bringt (Kaschek 2014). Kundennutzen entsteht dort, wo sich Angebot und Bedürfnisse des Kunden decken. Manche Teile des Angebotes sind für Kunden nicht interessant. Manche Bedürfnisse des Kunden erfasst ein Angebot nicht (zur umfassenden Nutzenorientierung vgl. Schauenburg 1999).

Elemente der umfassenden Definition von Schmäh und Stark (2006) sind wertorientierte Verkaufsphilosophie, proaktives Vorgehen für die Leistungsgestaltung, hoher wahrgenommener Wert des Kunden, höhere erzielbare Preise, qualitative und quantitative Vorteile des Kunden sowie einen Beitrag zu seiner Wettbewerbsfähigkeit zu leisten. Während Kaschek (2014) das Value Selling auf Schlüsselkunden orientiert, stützen wir den Ansatz auf alle Kunden eines Unternehmens.

Die Abbildung weiter unten zeigt den ähnlich umfassenden Ansatz.

Bei Value Selling geht es um Werte. Sind diese Werte echt und wichtig? Wird nicht nur geredet, sondern im Sinne des Kunden gehandelt? Identifizieren sich die Mitarbeitenden mit diesen Werten und sind sie stolz, damit zum Erfolg des Kunden beitragen zu können? Geht es darum, die eigene Leistung ängstlich mit der Gegenleistung des Kunden abzuwägen oder entspricht Value Selling einer Haltung, die auch besondere Leistungen und ein Engagement für Kunden fördert? Wenn Value Selling nur Geschwätz und geschickte Argumentation beinhaltet, greift es zu kurz.

Ist Value Selling trotzdem ein umfassender Ansatz für Unternehmen, um den Kunden besser auszunehmen und die Preise hoch zu halten? Geht es um mehr Schein als Sein oder sollen Unternehmen weniger leisten und mehr verlangen? Wie bemerkt, beurteilt der Kunde den Wert einer Leistung. Die Unternehmen arbeiten mit Value Selling konsequent daran, sein Werterlebnis zu steigern. Aus der Sicht des Kunden ist es wichtig, dass Anbieter den Spielraum behalten, um die richtige Leistung für ihn zu

erbringen. Der einseitige Preiskampf verdrängt in vielen Märkten den Wettbewerb um Qualität; die Qualität wird aber dadurch definiert, dass die Leistung für den Kunden genau passt (Fitness for Use). Die einseitige Suche nach einer Verbilligung führt zu durchschnittlichen oder schlechteren Angeboten.

Verschlechtert werden besonders die Leistungselemente, die der Kunde beim Kauf wenig beachtet. Vielleicht sind es Benutzerfreundlichkeit, Kosten im Unterhalt oder Lebensdauer. Gerade die vermeintlich klaren Billigangebote täuschen vor, trotzdem die gute Qualität zu erbringen. Sie verursachen verbreitete Fehlkäufe, und die Qualität zerfällt in den Märkten schleichend. Professor Dr. Heinz Weinhold verwendete früher in seinen Vorlesungen jeweils das Beispiel der St. Gallischen Sticker. Unter dem internationalen Preisdruck stickten die Unternehmen die Ornamente auf ihren Stoffen mit zwei Stichen weniger, dann nochmals mit zwei Stichen weniger und so fort. Die einzelnen Schritte bemerkte der Kunde nicht. Irgendwann ging damit aber die wunderbare Stickerei verloren und international stellten dann die Wettbewerber ebenso schöne Stoffe her.

Die folgende Abbildung zeigt zwei Ansätze des Value Selling: 1) Ein Unternehmen kann vorhandene Leistungen für mehr Wert verkaufen. 2) Ein Unternehmen verbessert und erweitert die eigenen Leistungen und erhöht damit auch den Spielraum für das Value Selling. Diese neuen Leistungen gilt es zu vermarkten. Auch sie können unter Wert verkauft werden, und es entstehen analoge Herausforderungen wie bei der ersten Variante.

Grundsätzlich verbessern die meisten Unternehmen ihre Leistungen für Kunden. Value Selling ist deshalb meistens nicht nur ein Problem der Umsetzung, weil sich Anforderungen durch Unternehmen und Kunden laufend verändern. Die folgende Abbildung schließlich stellt unseren Ansatz zum Value Selling im Überblick dar. Geprägt wird das Vorgehen durch die Value-Strategie des Unternehmens. Die Bausteine von Value Selling sind dann Delta im Verkauf und Kundenvorteile, sie verändern die Gespräche oder generell die Interaktion mit dem Kunden. Schließlich braucht es auf dem Weg zum exzellenten Value Selling ein umfassendes Management und gezieltes Value Based Selling Training, um Erfolg mit und für Kunden zu realisieren.

Als Gegenpol zu Value Selling wählten Bussmann/Zupancic (2008, S. 110ff.) das Lean Selling. Kunden nehmen nur die Basis oder Minimalleistungen in Anspruch und ziehen eine geringe Interaktion mit den Lieferanten vor. Diese schlanke
Zusammenarbeit betrifft oft nicht speziell den Verkauf, sondern beruht auf einem zentralen und gebündelten Einkauf des Kunden, IT-Vernetzung von Lieferanten und Kunde, rascher Verfügbarkeit von Standardprodukten, abnahmeverpflichtungen, optimierter Logistik und standardisierten Prozessen für Bestellung und Auftragsabwicklung. Marketing und Vertrieb stützen sich auf Direktmarketing, einen starken Innendienst, E-Commerce und Callcenter sowie
unabhängige Vertretungen. Kurz: Die Zusammenarbeit ist direkt, einfach und eingespielt, aber die Wettbewerber sind rasch in der Lage, zu übernehmen. Die Kunden nutzen zudem den Wechsel zwischen Lieferanten, um ihre Einkaufsmacht auszuschöpfen. Besonders im Bereich einer schlanken Zusammenarbeit mit Lieferanten werden auch Ausschreibungen regelmäßig eingesetzt, um den Wettbewerb zu intensivieren. Allerdings erkennen wir später, dass der Kunden auch hierbei seinen Wert optimiert. 

Value Selling heißt also nicht einfach, überall mehr für den Kunden zu tun, sondern seine Erwartungen und Bedürfnisse gezielt zu erfüllen.

Verbessern Sie die Kompetenz Ihres Vertriebs mit Sales-Training durch Mercuri